Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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Neunter Brief.
Noch nicht hundert Jahre sind verflossen, seitdem ein neuer Aufschwung in der Wissenschaft der zweitausendjährigen, unumschränkten Herrschaft der bekannten vier aristotelischen Elemente, welche die Welt und die Dinge in ihr bilden sollten, ein Ende machte. Dem Feuer ging es hierbei am Schlimmsten; es wurde ganz aus der Reihe der Körper gestrichen. Aber was auf der einen Seite genommen, das wurde auf der andern reichlich wieder ersetzt, denn die Verbrennung, ein rein chemischer Vorgang, ist der Ausgangspunkt aller Erfolge, deren sich unsere Wissenschaft rühmen kann und noch heute der Grundstein, auf dem das stolze Gebäude der neuen Chemie ruht. Doch davon wollen wir nicht reden. Eine Umschau im alltäglichen Leben bietet hinreichend Stoff zu anderen wichtigen Besprechungen, da das Feuer zugleich auch die Grundlage der Gewerbthätigkeit und der Haushaltung bildet. Um so mehr mußten wir uns wundern, daß ein neues Werk eines englischen Chemikers, obgleich es sich ausschließlich mit den chemischen Vorgängen des gewöhnlichen Lebens beschäftigt, die Verbrennung ganz bei Seite liegen läßt, und daß keiner der drei Uebersetzer diesen Mangel erkannt und beseitigt hat. Denn hier thut nicht nur eine Erörterung und Belehrung, sondern auch eine „Reform an Haupt und Gliedern" sehr Noth.
Für heute haben wir die Brennstoffe zur Besprechung ausgewählt. Das nächste Material, welches sich dem Menschen zur Befriedigung seiner Bedürfnisse darbot, waren die strauch- und baumartigen Pflanzen, mit einem Wort das Holz. Seiner chemischen Natur nach ist das Holz, d. h. die Holzfaser, gleichartig; eine jede Holzfaser, von welcher Pflanze sie auch herstamme, besteht aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff und zwar stets genau in denselben Gewichtsverhältnissen. Die beiden letzteren Bestandtheile treten hier stets in Mengen auf die in derselben Beziehung zu einander stehen, wie im Wasser, und daher können wir sagen: die Holzfaser besteht aus Kohle und Wasser, wobei wir aber nicht an ein loses Nebeneinanderlagern dieser beiden Substanzen, sondern an eine so innige Verbindung zu denken haben, daß wir durch keine Mittel eine Zerlegung der Holzfaser in Kohle und Wasser oder eine Trennung der letzteren von der ersteren bewerkstelligen können.
Trotz der Gleichartigkeit der Holzfaser durch das ganze Pflanzenreich hindurch zeigt aber das Holz verschiedener Bäume bei der Berarbeitung und in den Leistungen als Brennmaterial auffallende Unterschiede. Diese werden bedingt durch den Inhalt der Zellen und Gefäße, die durch die Holzfaser gebildet werden. Der Pflanzensaft besteht zwar dem weit überwiegenden Theile nach aus Wasser, aber dennoch üben die geringen Mengen organischer Substanzen, die darin gelöst enthalten sind, auf den Werth des Holzes bei der Verbrennung einen entscheidenden Einfluß aus, weil sie aus denselben Grundstoffen gebildet sind, wie die Holzfaser selbst, wenn freilich auch in andern Gewichtsverhältnissen. Stellen wir zur Vergleichung die Eiche und die Fichte neben einander; in dem Safte der ersteren finden wir Gerbstoff, in dem der letzteren Harze. In dem Gerbstoff sind so bedeutende Mengen von Sauerstoff enthalten, daß wir uns nicht allein den ganzen Wasserstoffgehalt, sondern auch einen bedeutenden Theil des Kohlenstoffgehaltes schon mit Sauerstoff verbunden denken müssen. Beide sind daher, ganz oder theilweise bei der Verbrennung von keiner Bedeutung, da diese ja weiter nichts ist, als eine Verbindung des Sauerstoffes mit dem Kohlen- und Wasserstoff. Anders ist es bei den Harzen, sie sind reich an Kohlen- und Wasserstoff, dagegen arm an Sauerstoff und daher ihr Brennwerth ein bedeutender. In allen Fällen aber wird der Brennwerth des Holzes durch die bei der Verdampfung des Wassers zurückbleibenden Bestandtheile des Pflanzensaftes erhöht, aber in einem verschiedenen Grade. Jetzt wird man auch leicht einsehen, warum ein Holz, das weite Strecken geflößt worden, schlechter ist. Es hat durch den langen Aufenthalt im Wasser einen großen Theil der Saftbestandtheile verloren und damit auch einen Theil seiner Heizfähigkeit. Man will beobachtet haben, daß der Verlust eines Kubikfußes Holz bis auf ein Pfund steigen kann und dadurch wird der Vortheil, den man durch den wohlfeilen Transport erzielt, bedeutend beeinträchtigt.
Von großem Einfluß auf den Werth des Holzes bei der Verbrennung ist auch, wie wir später sehen werden, der Wassergehalt. Darum fällt man im Allgemeinen die Bäume zu einer Zeit, wo sie, wegen der ruhenden Vegetation, arm an Saft sind. Und doch übersteigt in frisch gefälltem Holze mitunter der Wassergehalt die Hälfte, bei den gewöhnlichen Brennhölzern ein Drittel des ganzen Gewichtes. Beim Aufbewahren des Holzes an einem luftigen, vor Regen geschützten Orte geht ein großer Theil des Wassers verloren; nach und nach nimmt das Wasser Dampfform an und geht in die Luft über. Aber bald ist hier eine gewisse Grenze erreicht und der Neigung der Luft, Wasserdampf in sich aufzunehmen, tritt hartnäckig die des Holzes, das Wasser fest zu halten, entgegen. Gewöhnlich enthält vollkommen trockenes Holz noch ein Fünftel bis ein Viertel seines Gewichtes Wasser, das jetzt sehr hartnäckig fest gehalten wird; Holz, nachdem es ein halbes Jahr hindurch in einem geheizten Zimmer aufbewahrt worden, ergab immer noch 17 Pfund Wasser in 100 Pfund. Ganz können wir das Wasser dem Holze nicht entziehen, da wir die Wärme dabei so steigern müssen, daß das Holz selbst sich zersetzt.
Die leichte Entzündlichkeit und der geringe Aschengehalt, den wir, ohne sehr zu irren, zu 1 auf 100 annehmen können, ertheilen dem Holze Vorzüge vor anderen Brennstoffen. Der Umstand, daß der Baum der Natur zum Schmucke dient, durfte freilich den Menschen nicht abhalten, die Axt an ihn zu legen. Aber man hätte bedenken sollen, daß das Zerstören leichter ist, als das Aufbauen und daher sich bemühen, den Verlust nach Kräften wieder zu ersetzen. Verschiedene Ursachen haben dazu beigetragen, der Vernunft kein Gehör zu schenken; man hat gegen die Wälder aller Orten einen Vertilgungskrieg geführt und die Folge davon war eine Reihe ernster Uebelstände, weil man die Kette, durch die alle Dinge in der Natur zusammengehalten werden, zerriß, den Einklang in den Gesetzen der Natur störte. Der Kleinsten einer war der, daß der Mensch in neuerer Zeit sich nach andern Brennstoffen umsehen mußte und da die Oberfläche der Erde deren in zureichendem Maße nicht weiter bot, wurde er gezwungen zur Tiefe hinabzusteigen.
In der Voraussicht, daß die Entwicklung der Menschheit diesen Zeitpunkt früher oder später nothwendig bedinge, hat die Natur, eine sorgende Mutter, zur Zeit als sie dem Menschen die Stätte bereitete, obgleich sie hier vollauf zu thun hatte, reiche Schätze zur Abhülfe der Noth in den fernesten Zeiten niedergelegt und sie im Verlaufe vieler Jahrtausende zur Reife gebracht. Dem Auftreten des Menschen mußte eine Reinigung der Luft von dem Uebermaß der Kohlensäure vorangehen; dieses Geschäft verrichteten, wie noch heutiges Tages, die Pflanzen. Auf einem seit vielen Jahren brennenden Steinkohlenlager in der Nähe von Zwickau sehen wir so zu sagen natürliche Treibhäuser; so verhielten sich auch in der Jugendperiode unsers Erdballs, als nur eine dünne feste Kruste die glühende Masse überzog, die Inseln, welche im Weltmeer, damals fast die ganze Erde bedeckend, hier und da zerstreut lagen. Die übermäßige Wärme und die kohlensäurereiche Atmosphäre gaben die günstigsten Bedingungen zur Entwickelung einer gigantischen Vegetation, deren Tage aber gezählt waren; denn bald sprengte der gährende Kern die beengenden Fesseln der erkalteten Rinde und aus tausend Rissen quoll die feurige flüssige Masse empor. Das neue Land zwang das Meer zum Austritt; die Wogen staueten sich auf und ergossen sich über die Wälder, rissen diese mit sich fort oder begruben sie an Ort und Stelle unter den Trümmern der Verwüstung. Und mit sich in’s Grab nahmen sie die Sonnenstrahlen oder die Wärme, die ihnen Leben und Gedeihen gegeben hatte. Jetzt, nachdem an diese untergegangene Schöpfung der Ruf: stehet auf! ergangen ist, erhalten wir bei der Verbrennung der Steinkohlen diejenige Wärmemenge wieder, die zu der Bildung
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_024.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2023)