Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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in Einklang waren, auf Pyramiden von Waffen und anderes Kriegsgeräth, das auf ein blutiges Handwerk deutete. Daneben bewegten sich die rothen Uniformen durch das Gebüsch und hier und da lagerten sich die Soldaten um die Wachtfeuer, deren rothe Flamme sonderbar gegen das Mondlicht abstach.
Es war das Bivouac eines Detaschements der englischen Truppen, die an der Grenze lagen. Wir gehörten nur zeitweilig zu ihnen, und uns war das Lagerleben, sowie die Mehrzahl unserer Kameraden, der Offiziere, noch neu. Das Gespräch drehte sich daher wesentlich um das Land und seine Bewohner, und Jeder gab seine Erfahrungen darüber zum Besten.
„Zu Abenteuern,“ fragte ich hierbei, „bietet Südafrika wohl keinen Stoff dar?“
„Nun je nachdem,“ erwiederte einer der Offiziere. „Ich für meinen Theil habe hier den gefahrvollsten Tag meines Lebens gehabt.“
„Ja, das müßt Ihr erzählen, Merden,“ rief ein Zweiter aus, „das ist eine famose Geschichte.“
„Ja wohl, thut es!“ riefen ein halbes Dutzend Stimmen.
„Ich bin aber ein schlechter Erzähler.“
„Thut nichts. Um so mehr wird uns der Stoff Eurer Geschichte anziehen.“
„Nun, meinetwegen,“ begann Lieutenant Merden.
„Es mögen wohl drei Jahre her sein und es war rechtes Kaffern-Wetter, d. h. wir hatten ewige Nebel, die den Himmel verdunkelten und es den verdammten Schwarzen möglich machten, ihrem alten Lieblingsgewerbe, dem Viehstehlen, nachzugehen. So hatten sie auch damals einem Farmer an der Grenze Vieh gestohlen und ihn selbst verwundet und es wurden Truppen ausgesandt, ihnen den Raub wieder abzunehmen. Demgemäß kam ich an den Fluß Rhei Kops zu stehen und wurde dort zum Recognosciren beordert. Ich hatte einen Hottentotten-Soldaten zur Begleitung, einen kleinen, schlauen Kerl, der stets eine halbe Meile weiter sah, als ich.
„„Da sind drei Kaffern, Herr, mit Flinten,“ rief er aus.
„Ich konnte weder die Kaffern, noch die Flinten sehen, fand aber, daß er vollkommen recht hatte, denn als ich darauf zuritt, fand ich richtig die Kaffern, und ihre verlegenen Blicke sagten mir auch zur Genüge, daß sie ihre Gewehre versteckt hatten, es fehlte mir indessen an Zeit, danach zu suchen.
„Die nächste Bemerkung, welche Piet machte, war noch fataler. „Mein Pferd ist lahm, Herr,“ sagte er.
"Ach, dummes Zeug!“ rief ich aus, „vorwärts.“ Es war aber kein dummes Zeug, denn das Pferd wurde immer lahmer und konnte zuletzt nicht mehr fort. Ich war daher genöthigt, ihn absitzen und das Pferd nach Hause führen zu lassen, und allein weiter zu reiten.
„Bald darauf hörte ich einen Schuß, achtete jedoch nicht besonders darauf, weil ich mir dachte, daß einer der Farmer auf der Jagd sei.
„Dies mochte auch wohl der Fall gewesen sein, denn ich war noch nicht dreißig Schritt weiter, als ich plötzlich einen großen, prachtvollen Tiger vor mir sah. d. h. was man in Südafrika so nennt. Es war einer der großen Leoparden, die hier hausen, und der schönste, den man nur sehen konnte.
„Längere Zeit hindurch blickte ich ihn blos staunend an, denn ich wußte ja, daß diese Thiere, so wild sie auch sind, selten den Menschen angreifen, es währte aber nicht lange, so wurden wieder Gedanken in mir rege, denn ich sah ihn geradesweges auf mich loskommen, als wolle er mich angreifen. Ich griff daher zu meiner Doppelbüchse, von der aber, wie ich mich gleichzeitig erinnerte, nur ein Lauf mit einer Kugel geladen war. Der andere enthielt nur Schrot. Ich zielte, so gut ich bei dem schnellen Lauf des Thieres vermochte und traf ihn auch in die Weichen, aber dies störte ihn nur für einen Augenblick, und er stürzte nur um so wilder, zähnefletschend und mit fürchterlich rollenden Augen auf mich zu. Ich ergriff meine Büchse und wirbelte sie um meinen Kopf, um seinem Angriffe zu begegnen, sobald er mich anfallen wollte. Mein Pferd war indessen anderer Ansicht und setzte sich in Galopp, um dem Feinde zu entgehen.
„Diese Flucht dauerte indessen nur eine Minute, als ich an dem Stöhnen des Pferdes erkannte, was sich, wie ich vorhersah, nun ereignen mußte. Der Tiger war auf uns gesprungen, hatte die linke Klaue in die Weichen des Pferdes geschlagen und suchte die rechte in meine eigne Seite zu bohren.
„Das Pferd sprang jetzt wie eine Antilope in die Luft, machte die tollsten Kapriolen, um den Feind abzuschütteln und schlug, als dies nichts half, mit den Hufen nach ihm, allein auch diese erreichten ihn nicht. Der Tiger klammerte sich nur um so fester an.
„Dies dauerte nur einige Sekunden, sie reichten indessen hin, mich über den ersten Schreck, den ich empfand, hinwegzuhelfen. Ich entdeckte, daß der Tiger zu meinem Glück einen schlechten Sprung gemacht hatte. Er war zu kurz gesprungen und hatte Mühe, sich zu halten, seine Hinterfüße schwebten in der Luft und das Ausschlagen des Pferdes genirte ihn gewaltig.
„Aber wo waren, werdet Ihr fragen, unterdessen die freundlichen Zähne der Bestie? So fragte auch ich mich, denn meine erste Erwartung war die gewesen, daß er mein Rückgrat zu durchbeißen suchen würde. Ein wunderbares Schnaufen, Pusten und Knurren hinter mir überzeugte mich indessen, daß er einstweilen noch eine andere Beschäftigung gefunden hatte.
„Ich pflegte, nach Cavalleristen Art, hinter mir eine Cartouchebüchse von starkem Zinn zu führen, in die ich meine Munition und sonstige Utensilien steckte. In diese hatte der Tiger sich verbissen, und was er darin fand, namentlich das Pulver, mochte wohl so wenig seinem Geschmack behagen, daß er denselben durch Pusten los zu werden versuchte, während seine Zähne in dem Zinn verbissen blieben.
„Dies hielt ihn für einen Augenblick auf, aber wie lange sollte dieser währen? Ich mußte einen Entschluß fassen.
„Dabei schien mein wahnsinniges Pferd Lust zu haben, sich niederzuwerfen, um wo möglich mich und den Tiger zugleich los zu werden. Der Tiger zog seine Klaue für einen Moment zurück, aber nur, um mich gleich darauf enger an sich zu ziehen. Bewies dies, daß er vorrückte?
„In solchen Lagen kommt Einem eine Minute wie eine Viertelstunde vor und die Pein, welche man empfindet, ist furchtbar. Gott sei Dank, währen solche Situationen indessen nie lange.
„Ich überlegte also, was ich thun sollte. Hätte ich mich umdrehen und ihm die Spitze bieten wollen, so wäre dies mein sichrer Tod gewesen; abspringen konnte ich auch nicht, dazu hielt die Bestie mich zu fest, es blieb mir daher nur noch ein Mittel übrig: in nicht weiter Entfernung sahe ich das dunkle Gewässer des Flusses Rhei Kops, und der Gedanke flammte in mir auf, daß diese mich erretten konnten. Dahin wendete ich daher den Lauf des Pferdes, und als es seinen Kopf dahin richtete, schien es mich zu verstehen, denn es brauste in wahnsinnigem Schnelllauf fort. Der wilde Jäger kann nicht schneller geritten sein.
„Alles hing von der Schnelligkeit des Pferdes ab. Wenn es das Wasser erreichen konnte, ehe die Bestie seine Zähne von der Zinnbüchse zu befreien vermochte, hatte ich Aussicht auf Rettung, falls wir nicht sämmtlich vorher den Hals brachen, daran dachte ich indessen wenig. Meine Gedanken waren nur darauf gerichtet, ob es dem Tiger gelingen würde, weiter hinauf zu kriechen und ob ihn die Zinnbüchse lange genug beschäftigen würde. Das Pferd befolgte die kluge Politik, zuweilen wieder auszuschlagen und dadurch den Tiger zu verhindern, emporzuklettern. Als er seinen Kopf brüllend aufzurichten suchte, gab er mir einen solchen Stoß, daß ich glaubte, ich würde vornüber stürzen, aber die Klaue, die er mir in die Seite geschlagen hatte, hielt mich fest. Endlich sahe ich den Fluß frei, nur noch dreißig Schritt weit vor mir. Ich wußte, daß er sehr tief war und eine heftige Strömung hatte – um so besser für mich, denn sie konnte mich von dem Tod drohenden Feinde hinter mir befreien. Es war hohe Zeit dazu, denn ich merkte, daß der Tiger seine Zähne los machte und die furchtbare Waffe zum Angriff bereit hielt.
„Mein Pferd ließ mir indessen nicht Zeit, darüber nachzudenken, denn es sprang mit einem Satz in den Fluß. Einen Augenblick waren wir unter Wasser, dann tauchten wir wieder empor und jetzt versuchte ich mein Experiment, auf das ich meinen Plan gebaut hatte. Ich riß den Kopf des Pferdes so viel als möglich in die Höhe, um den ganzen Vortheil des Wassers für mich zu gewinnen. Der Fluß trug uns mit reißender Schnelle abwärts und bald hörte ich meinen Hintersassen pusten, schnaufen und gurgeln, als inkommodire ihn das Wasser gewaltig. Ich blickte über meine Schulter und sah ihn mühsam mit dem Wasser kämpfen und seine Nase emporhalten.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_014.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)