Zum Inhalt springen

Seite:Die Gartenlaube (1854) 632.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

schmucken jungen Mann bei der Frau Pastorin vor. Es war Karl, der Sohn des Amtmanns, der sich verabredetermaßen eingefunden hatte. Concordia stellte ihn ohne Umstand als ihren Bräutigam vor.

Die Erklärung zwischen Pastor Braun und Arnold hatte nicht lange gedauert. Der Kandidat, noch in seinem Ornate, erschien bald an der Hand des Pfarrers. Es war eine feierliche, rührende Scene, die nun in dem Stübchen der Pfarre stattfand. Arnold, von dem Zustande Cäcilien’s unterrichtet, näherte sich ihr, küßte ihre Hand, und sagte mit bewegter Stimme:

„Wollen Sie sich meiner Führung anvertrauen? Mein Herz kennt keine schönere Aufgabe, als Sie, die ich längst wie eine Heilige verehrte, treu und liebend durch das Leben zu geleiten!“

„Mein Herr,“ rief schluchzend die Hofräthin, „Sie kennen meine Tochter?“

„Ich sah sie in der Kapelle, am Stege des Baches im Walde – und seit der Zeit erschien sie mir wie ein unerreichbares Ideal. Daß sich der schönste Traum meines Lebens verwirklichte, halte ich für eine Fügung des Schicksals.“

„Sie sind ein Priester, mein Herr, Ihnen vertraue ich meine Tochter an!“

Die Hofräthin führte Cäcilien dem Kandidaten zu, der die weinende Blinde sanft an seine Brust drückte.

„Und hier, Väterchen, ist mein Bräutigam!“ rief Concordia, indem sie ihren Karl vorstellte.

„Das ist eher ein Mann für Dich, als der ernste Vetter!“ sagte der Greis, indem er Karl die Hand reichte. „Und nun sind wir ja alle glücklich, der Himmel hat einem jeden ein schönes Weihnachtsgeschenk bescheert. Seid dankbar, Kinder, und erhaltet es Euch in christlicher Liebe und Treue!“

„Das schwören wir!“ riefen die beiden jungen Männer.




Am zweiten Ostertage trauete der greise Pastor Braun zwei Brautpaare in seiner Dorfkirche. Es waren Arnold und Cäcilie, und Karl und Concordia. Dann fuhren die jungen Eheleute nach dem Schlosse, wo ein glänzendes Fest gefeiert wurde. Die Gäste bestanden nur aus den nächsten Freunden des Pfarrers und aus den Vorstehern der Gemeinde, die Arnold zu ihrem Pfarrer gewählt hatten. Karl bezog mit seiner Gattin den Amthof, Arnold blieb auf dem Schlosse Krayen, und der greise Pastor blieb in der Pfarre, wo er fast täglich Besuche von seinen Kindern empfing. Jeder Sonntag war für die glückliche Cäcilie ein Fest, denn sie hörte ihren Arnold predigen. Der junge Pfarrer pflegte sein Amt mit Liebe und Treue, obgleich er ein großes Vermögen besaß, das ihm seine Gattin zugebracht hatte und ein ruhiges, bequemes Leben gestattete. Er wollte dadurch das Band der Liebe befestigen und erhalten, das ihn und seine blinde Gattin umschlang. Und Cäcilie war glücklich in ihrer schwärmerischen Liebe, wie ihr Geist, so erstarkte auch ihr Körper, der in neuer Schönheit aufblühte.

„Du bist wahrlich ein Engel!“ rief Arnold oft begeistert, wenn er seine reizende Gattin betrachtete.

„Und Du bist mein Licht, Arnold,“ sagte sie dann lächelnd. „Mir fehlt das Augenlicht, aber ich sehe Dich dennoch! Und dieses Licht hat mir der heilige Christ angezündet!“

„Möge es Dir lange, lange leuchten!“




Rear-Admiral Sir E. Lyons.

Obgleich auch diese eigentliche Seele der englischen Flotte im schwarzen Meere schon, wie alle andern Admiräle, über das Alter hinaus ist, innerhalb welchem man Ruhm und Lorbeeren durch schaffende Thaten erntet, ist er doch gegen das körperliche Oberhaupt, den altersschwachen und ängstlichen Dundas, die Seele und die eigentliche Kraft der Flotte geworden, da er auf eigene Hand auf seinem Schiffe „Agamemnon“ im Hafen von Balaklava anfing, der Landarmee die Hand und alle seine Kanonen zu reichen.

Sir Edmund Lyons wurde am 21. November 1790 geboren und hat also bereits sein 64stes Jahr überschritten. Er kam 1801 in den Flottendienst, in welchem er bis 1807 seine Lehrzeit im mittelländischen Meere und einer Expedition nach den Dardanellen zubrachte. Hierauf ging er als Lieutenant auf einem Kriegsschiffe von 64 Kanonen nach Ostindien. Bei der Eroberung der Insel Banilla Neirra (August 1810) erwarb er sich die ersten Lorbeeren. Er war der Erste auf den Wällen des Schlosses Belgico gewesen. Im Jahre 1811 ging er mit der von Indien ausgerüsteten Expedition nach Java zur Eroberung dieser Insel. Hier stürmte er am 30. Juli 1811 in der Nacht die Festung Morrnik mit nicht mehr als 35 Mann und eroberte sie. Die Festung vertheidigte sich mit 54 Kanonen und 180 Mann vergebens. Im weitern Verlaufe dieses barbarischen und unglücklichen Eroberungskrieges wurde er bald dienstunfähig und genöthigt, invalid nach England zurückzukehren. Nachdem er sich erholt und die Capitainswürde erhalten hatte, bekam er das Commando eines eigenen Schiffes, des „Rinaldo“ mit 10 Kanonen, in welchem er 1813 Ludwig XVIII. von Frankreich und die übrigen alliirten Häupter nach England escortirte. Von 1814 bis 1828 lebte er als Privatmann, bis er wieder Dienste im mittelländischen Meere bekam. Mit seinem Schiffe „Blonds“ half er 1828 Navarin blockiren, worauf er eine Expedition nach Morea befehligte, um die Franzosen in Eroberung des Schlosses zu unterstützen, des letzten Haltes der Türken im Peloponnes. Durch die Bravour des Sir Lyons ging dieser letzte Halt nach 12tägigem Kampfe verloren und da die Engländer bei Navarin auch die türkische Flotte zerstörten, hatten es die damals schon Alliirten durch doppelte Siege, die Besieguug der Türken gegen das empörte Griechenland, und Zerstörung ihrer Flotte, welche den Russen im schwarzen Meere hätte Respect einflößen können, dahin gebracht, daß Rußland nur noch die Wahl hinsichtlich der Zeit hatte, um mit den gegenwärtigen Ansprüchen, denen man jetzt so viel Anstrengungen und Blut entgegensetzt, hervorzutreten. Im Lichte der Vergangenheit gewinnt dieser gegenwärtige Krieg in seiner bisherigen Entwickelung (die allerdings erst den Anfang des zweiten Akts einer großen fünfaktigen Tragödie erreicht hat) eine ganz pikante und grelle Farbe, aus der man desto weniger klug wird, je genauer man sie ansieht. Lyons bekam für seine Tapferkeit in Vertreibung der Türken aus Griechenland einen französischen und den Erlöser-Orden von Griechenland, welches neuerdings von England und Frankreich bekanntlich in anderer Manier von seinen Vergrößerungsplänen erlöst ward. –

Im Jahre 1829 brachte Lyons den englischen Gesandten Sir Robert Gordon nach Konstantinopel. Lyons wurde hier mit seinem Kriegsschiffe „Blonds“ der erste Engländer, der ein englisches Kriegsschiff im schwarzen Meere sehen ließ. Im Frühlinge 1833 begleitete er den neuen König Griechenlands, Otto von Bayern, nach Athen –, wo er eine Zeit lang als Regierungsbevollmächtigter blieb. Er ward später zum Baronet erhoben und geadelt. Seine Würde als Rear-Admiral datirt vom 14. Januar 1850.

Er hat zwei Söhne und zwei Töchter, deren eine an den Baron Philipp von Würzburg verheirathet ist.

Sein Hauptruhm im schwarzen Meere besteht in der kühnen und umsichtigen Art, womit er die Landung der Truppen bei Eupatoria befehligte und in seinem Trotze und Todesmuthe, womit er am 17. October blos 500 Yards von den Batterien und blos 2 Fuß tief Wasser unter dem Kiel seines Schiffes „Agamemnon“ das Bombardement von Sebastopol begann und bis in die Nacht fortsetzte. Ohne ihn wäre vielleicht die ganze englische schwarze Meer-Flotte unter Dundas eingeschlossen, während die Belagerer von Sebastopol in Todesschlaf niedergeschmettert wurden.

Ohne Sir E. Lyons hätte Admiral Dundas vielleicht nie die unter den Verhältnissen dringend nothwendigen Dienste der Flottensoldaten auf dem Lande zugegeben. Durch eine frühere und umfangreichere Zusammenwirkung der Marine- und Landtruppen wären vielleicht die demüthigenden Ergebnisse eines Heldenkampfes auf der Krim ganz oder zum Theil vermieden worden. Die Stellungen der Flotten im baltischen und schwarzen Meere waren lächerlich, da der Walfisch immer zu erwarten schien, der Löwe werde zu ihm in’s Wasser kommen, um sich hier ersäufen zu lassen.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 632. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_632.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)