verschiedene: Die Gartenlaube (1854) | |
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„Wir waren bald bei ihr und der Hund schien ihr fast den Anspruch auf das Kind streitig machen zu wollen, theilte aber ihre Freude, sprang an mir an, lief zu den Kinde, das die Mutter an ihre Brust drückte, leckte ihm die Füße und bellte vor Freude.
„Wie freudig war der Rückweg! Ich ging voraus und der Hund blieb dicht hinter mir, aber bisweilen glaubte er doch nachsehen zu müssen, ob mit dem Knaben alles in Ordnung sei, der von den Männern abwechselnd getragen wurde.
„In der Mitte des Weges etwa zu der Farm, zu welcher die Mutter mit dem Wiedergefundenen zurückkehrte, trennte ich mich von den Uebrigen und schritt quer über die Prairie nach meiner Farm, die ich mit dem Abenddunkel erreichte, in der mich aber weder Weib noch Kind erwartete.
„An jenem Tage habe ich tiefer in ein weibliches Herz geblickt als je und in der Nacht darauf nahm ich mir fest vor, mir auch ein solches Herz zu gewinnen und zwar ein deutsches.“
Bildung besteht nicht in bloßem Wissen, am Allerwenigsten in bloßem Vieles- und Vielerleiwissen, denn das bloße Wissen, besonders wenn es nicht gehörig verarbeitet ist, macht weit häufiger untauglich als tauglich für’s Leben – wahre Bildung aber soll Bildung für’s Leben sein. Noch weniger freilich besteht dieselbe in der bloßen Aneignung äußerlicher, conventioneller Formen und Formeln, denn diese verflachen nur zu leicht Geist und Gemüth, machen gleichgültig gegen das innere Wesen und den wahren Werth der Dinge.
Ich möchte die wahre Bildung bezeichnen als geistige Gesundheit und sie vergleichen mit der Gesundheit des Körpers. Wie diese letztere da vorhanden ist, wo alle Organe des Körpers gleichmäßig, nach ihrer natürlichen Bestimmung, entwickelt und durch diese Entwickelung befähigt sind, die äußeren Stoffe, deren der Körper zu seiner Erhaltung und Ausbildung bedarf, aufzunehmen und zu verarbeiten, den zum Wohlbefinden nothwendigen Erregungen zu folgen, den dem Körper nachtheiligen Eindrücken Widerstand zu leisten – ganz ebenso giebt es auch eine geistige Gesundheit, welche in der gleichmäßigen Ausbildung der verschiedenen Seelenkräfte und in der dadurch gewonnenen Fähigkeit besteht, die äußern Verhältnisse zu beherrschen und sich zu unterwerfen, den Widerwärtigkeiten des Lebens tapfern Widerstand zu leisten. Diese geistige Gesundheit, Kraft und Frische ist das Kennzeichen wahrer Bildung.
Die Frauenbildung ist in dieser Hinsicht von der Bildung der Männer nicht wesentlich unterschieden. Nur insofern ist sie es, als die Lebens- und Berufssphäre der Frauen eine beschränktere ist, als die der Männer. Diese Sphäre aber muß sie ebenfalls ganz und nach allen Seiten hin ausfüllen. Ja die Harmonie der Bildung wird bei der Frau noch schwerer vermißt, als beim Manne, den Beruf und Lebensstellung öfter zu einer gewissen tüchtigen Einseitigkeit der Kraftentwicklung führen, welche die Vielseitigkeit eher entbehren läßt. Bei der Frau dagegen wird Einseitigkeit leicht zur unweiblichen Schroffheit.
Doch das Wesen der Frauenbildung wird vielleicht besser als durch solche allgemeine Betrachtungen durch Beispiele aus dem Leben veranschaulicht. Schon in der äußern Erscheinung zeigt sich fast immer der Gegensatz der wahrhaft gebildeten Frau zu der ungebildeten und was in vielen Stücken auf Dasselbe hinaus kommt, der halbgebildeten, verbildeten oder überbildeten. Jenes wohlthuende Gleichmaß aller Bewegungen, die Quelle der Anmuth, dieser schönsten Zierde des weiblichen Geschlechts, jene Sicherheit des Auftretens und der Haltung, die ebensoweit entfernt ist von der aufdringlichen Keckheit des emancipirten Mannweibes wie von dem eckigen, steifen, scheuen Wesen, das Frauen und Mädchen so übel steht, jene Ruhe, welche Nichts hat von der ängstlichen und beängstigenden Hast, die bei jedem nicht vollkommen im alltäglichen Geleise sich bewegenden Ereigniß sogleich, wie man zu sagen pflegt, „aus dem Häuschen ist“ und dabei doch jene leichte Erregbarkeit und Beweglichkeit, die so angenehm absticht und der stumpfen Gleichgültigkeit, welche auch das Wichtigste spur- und theilnahmlos an sich vorübergehen läßt, – Das sind die sichern Erkennungszeichen wahrer, echter Frauenbildung.
In der Gesellschaft macht sich die gebildete Frau nicht dadurch bemerkbar, daß sie einige Höflichkeitsformen mehr inne hat oder dieselben gewandter zu handhaben versteht, daß sie die eine oder die andere fremde Sprache geläufig spricht (vielleicht auch nur radebrecht)), eines oder das andere Musikstück mit mehr oder weniger Finger- und Kehlfertigkeit vorträgt. Alles Dies kann ein Element wahrer weiblicher Bildung sein, wenn es nämlich zum Ganzen derselben in richtiger harmonischer Einstimmung steht, es kann aber auch, wo diese Einstimmung fehlt, den sehr unbefriedigenden, ja unter Umständen widerwärtigen Eindruck einer bloßen Halb- oder Scheinbildung machen und ist keinesfalls ausreichend, für sich allein vollgültigen Anspruch auf den Namen einer wahrhaft gebildeten Frau oder Jungfrau zu verleihen. Was vielmehr diese kennzeichnet, das ist die Fülle inneren Geistes- und Gemüthslebens, die, wie durch einen tiefen Drang der eigensten Natur, ohne Affectation und Künstelei, frisch und frei bei der leisesten Anregung hervorquillt, Alles, was ein solches weibliches Wesen thut, spricht, antwortet oder fragt, vergeistigt und verklärt und auf den ganzen Kreis, worin dieselbe sich bewegt, erwärmend und erleuchtend zurückstrahlt. Wo diese innere Kraft und Lebensfülle vorhanden ist, da wird es nicht an mannigfaltigem Interesse und mannigfaltiger Anregung zu geselliger Unterhaltung fehlen, da wird man viele, aus Mangel an Stoff oder aus angewohnter Trägheit des Denkens, zu stundenlangen Gesprächen über ein neues Kleidungsstück oder einen Wechsel der Dienstboten, oder zu jener noch schlimmern Art von Zeitvertreib, die in Wintertagen von Klatschereien und in einem gewöhnlich ebenso geist- als lieblosen Absprechen über fremdes Thun und fremde Mängel besteht, sich herabwürdigen, noch aber auch sich hinaufschrauben zu affectirtem Geistreichthun in angelernten oder aufgeschnappten Kunstfloskeln und Literaturbrocken, wobei fast immer Gemüth und Geist leer ausgehen und höchstens die Eitelkeit und auch diese nicht einmal ihre Rechnung findet.
Man hat in neuerer Zeit öfters, und nicht mit Unrecht, darüber geklagt, daß in größeren, aus beiden Geschlechtern zusammengesetzten Gesellschaften in der Regel die Männer, sobald sie es nur mit einigem Anstand können, sich von den Frauen sondern und unter sich verkehren. Ich will dies nicht entschuldigen; der Grund davon ist oftmals eine gewisse Geistesträgheit und ein Mangel an Bildung auf Seiten der Männer, die es bequemer finden, ihre gewohnten Geschäftsgespräche und zwanglosen Scherze unter einander fortzusetzen, als die Mühe einer auf andere Interessen eingehenden und in gehaltenern Formen sich bewegenden Unterhaltung auf sich zu nehmen. Nicht selten aber liegt auch die Schuld an dem andern Theile. Wenn der Mann, welcher im Gedankenaustausche geselliger Unterhaltung Erfrischung und Anregung sucht, bei den Mädchen oder den Frauen, die er anredet, eben keine Gedanken, sondern nur Worte und nichts als Worte findet, wenn er vergeblich alle Saiten anschlägt, alle Wendungen des Gesprächs versucht, um nur ein selbstständiges Urtheil, nur eine eigenthümliche und natürliche Gefühlsäußerung hervorzulocken, statt dessen aber immer nur entweder dem Schellengeklingel angelernter Phrasen, oder einem schüchternen Verstummen, oder einem erzwungenen,
- ↑ Diese Vorträge, von den Professoren Bock und Biedermann, unter Beistand einiger Docenten der Naturwissenschaften, zu Leipzig veranstaltet und am 14. November d. J. vor einer sehr zahlreichen Versammlung begonnen, sollen, in je zwei Stunden wöchentlich während dieses ganzen Winters einestheils kulturgeschichtliche, anderntheils naturwissenschaftliche Belehrungen (letztere namentlich aus dem Gebiete der Gesundheits-, und Nahrungsmittellehre und der Haushaltungschemie) umfassen. Aus dem oben mitgetheilten Einleitungsvortrage ist Dasjenige weggelassen, was sich lediglich auf dessen nächste specielle Bestimmung bezog, und nur Dasjenige beibehalten, was das eigentliche Thema, die Frauenbildung, betrifft. Die Redaktion.
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 586. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_586.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)