verschiedene: Die Gartenlaube (1854) | |
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Ein Zimmer, genannt: „Zauber der Nacht,“ ist ganz mit bernsteinfarbigem Atlas tapezirt, die Decke ein Wolkenhimmel von Spitzen; ein anderes, ringsum rother Damast mit goldenen Simsen, hat den Zweck, darin Chokolade zu trinken; ein drittes, genannt: „Glück des Tages,“ hat die kostbarsten Tapeten von himmelblauer Seide und Alles, was von Holz sein würde, besteht aus solidem Silber; Fensterrahmen, Thüren, Simse u. s. w. in den wunderbarsten Formen gegossen, geprägt und gemeiselt. Dieses alle Feenpaläste übertreffende Zimmer zeigt sich aber gleichwohl als das Tückischste: Blau und Silber geben allen Ornamenten der Person und den Haut-Teints eine Färbung, die sehr an’s Vergängliche und Sterbliche erinnert. Der Künstler oder die Künstlerin mögen Chevreul’s Farbenwissenschaft nicht studirt haben. Oder liegt in diesem kostbarsten Zimmer, welches seinen eigenen Glanz leichenfarbig überhaucht, eine Mahnung der Geschichte? Das silberne, himmelblaue Zimmer ist dicht am „bonheur du jour.“ – Ein tiefer Sinn liegt oft im kindlichen Spiel. Napoleon, der jetzt mächtiger, wie sein Onkel, in Frankreich, in Italien, in der Türkei, in Griechenland triumphirende Positionen einnimmt und nachdem er England vor zwei Jahren in panischen Schrecken versetzt hatte, nun auch Rußland bedroht, mag in dem silbernen Zimmer mit seiner schönen Frau einen Ersatz des Mannes finden, der hinter den Triumphwagen römischer Eroberer stand und sein „memento mori!“ rief: Bedenke, daß Du sterben mußt.
Nachricht von dem Ende Franklin’s. Von Franklin, dem seit zehn Jahren Vermißten, hat man jetzt endlich Nachrichten, welche John Rae, der Führer einer Expedition in die Polargegenden, überbracht hat. Trotz aller Mühe der englischen Regierung sowohl als Lady Franklin, hatte man bekanntlich nur die Bai gefunden, wo Franklin den Winter 1845-1846 zugebracht. Rae berichtet nun, in Pelly-Bay hätten ihm[WS 1] die Esquimeaux mitgetheilt, im Westen, nicht weit von einem großen Flusse, seien eine Anzahl Blaßgesichter verhungert und auf weitere Nachforschungen hätte er Folgendes erfahren: Im Frühling 1850 hatten einige Esquimeaux etwa vierzig Weiße in der Nähe der Insel King Williams-Land beim Jagen getroffen, welche, wie sie erfuhren, ihre Schiffe im Eise verloren gehabt. Alle, außer einem Offiziere, waren sehr abgemagert. Sie kauften den Eingebornen einen Seehund ab und wanderten dann mit einem Boote, das sie fortzogen, weiter. Nicht lange darauf fand man auf dem Festlande die todten Körper von etwa dreißig Personen und auf einer nahen Insel fünf desgleichen. Einige, wahrscheinlich die ersten Opfer, waren begraben, andere lagen unter einem Zelte und dem Boote, das umgekehrt war, um einigen Schutz zu gewähren, andere lagen zerstreut umher. Auf der Insel wurde auch Einer gefunden, den man für einen Offizier hielt; an der Schulter hing ein Fernrohr und eine doppelläufige Flinte lag ganz in der Nähe. Nach dem Zustande der Verstümmelung der Leichen und dem, wan sich in den Kesseln befunden, ist es wohl außer Zweifel, daß die Unglücklichen in die schreckliche Nothwendigkeit gekommen waren, einander zu essen. Ueberfluß aber an Munition, Compassen, Fernröhren und dergleichen scheinen sie gehabt zu haben. Von den verschiedenen Gegenständen, welche die Esquimeaux an sich gebracht hatten und unter denen sich viele silberne Löffel und Gabeln mit Wappen, auch ein rundes Silberstück mit dem eingegrabenen Namen Franklin’s befanden, hat Rae möglichst viel angekauft und aus Allem ersieht man, daß kein Zweifel mehr möglich ist.
Balzac’s Sommerleben. Wie weit man’s in Luxus und Kunst bringen kann, sofern Mittel und Geschmack nicht fehlen, beweist der französische, populäre Vielschreiber Balzac. Er schilderte seine Art zu leben, um sich die Julihitze vom Halse zu halten, folgendermaßen: „Vier Diener machen fortwährend Wind in meinen Zimmern (und er auch) und zwar so viel, daß sie Meereswogen in die Höhe treiben würden, wenn sich das Meer bis zu ihnen verirren sollte. Mein Wein steht in Schnee und Eis bis zu dem Augenblicke, wenn ich ihn trinke. Die Hälfte meines Juli bringe ich im Bade zu, die andere Hälfte sitze ich halb in meinem künstlich umstürmten Sopha, halb in einer Orangenbaumgrotte, welche durch einen Springbrunnen gekühlt wird. Ich wage mich nur im bedeckten Wagen über die Straße. Andere Leute begnügen sich, an Blumen zu riechen, ich habe eine Methode erfunden, sie zu essen und zu trinken. Mein Zimmer schwimmt in Blumen-Aromen stärker als das glückliche Arcadien. Ich verschwende Rosen- und Gasmin-Essenz wie Wasser. Während meine Nachbarsleute sich die Hitze durch solides Essen noch unerträglicher machen, lebe ich fast blos von Geflügel, das mit Zucker gemästet ward. Dazu nippe ich Früchte und Gelees. Mein Haus ist nicht so elegant und kostbar, als Fontainebleau, aber mein Wäldchen hinter demselben, durch welches kein Sonnenstrahl dringen kann, ist mir und meinen schwachen Augen viel lieber, auch deshalb, weil in diesem duftigen Halbdunkel erträglich schöne Damen sehr schön erscheinen. Die Bäume meines Parkes sind von der Wurzel bis in die Gipfel mit starkem Laubwerk geschmückt und strotzen von Turteltauben, Fasanen und anderen schönen befittigten Wesen. Wo ich gehe und stehe, trete ich auf Tulpen und Anemonen.“ – Deutsche Schriftsteller, selbst die glücklichsten treten nicht so ununterbrochen auf Blumen, im Gegentheil werden auch sie getreten. Von den Dichtern unter Dächern am wackeligen Tisch, im Sommer stets bei zehn Grad höherer Temperatur, als draußen in der Sonne, im Winter den Pfeifenkopf zwischen die Knieen nehmend, um die schwache Wirkung des Ofens zu unterstützen, kann man hier gar nicht reden. Balzac ist kein Dichter, sondern nur ein sehr geschickter, fleißiger Fabrikherr von Roman- u. s. w. Arbeitern und er geht mit Königen, mit denen, nach dem Gesange einen deutschen Dichters, nur der Dichter gehen soll und sogar aus dem Grunde, weil Beide – „auf der Menschheit Höhen stehn.“
Stecknadeln und Stahlfedern. Die gemeine, verächtlich behandelte Stecknadel ist gleichwohl eins der größten Wunder unseres industriellen Zeitalters. Die Stecknadelfabrik liefert 12,000 Artikel für etwa einen Thaler, zu deren jedem der Fleiß und das Geschick von 14 Arbeitern nöthig waren. Ein Mann schneidet den Draht zu 220,000 bis 240,000 Stecknadeln täglich. Ein Anderer macht in derselben eben so viel Köpfe. Ein Kind bringt bis 36,000 Nadeln täglich auf’s Papier. Die neuern, zum Aufstecken gebrauchten Maschinen übertreffen Handarbeit um beinahe 100 Prozent. In England allein werden täglich im Durchschnitt 15 Millionen Stecknadeln verbraucht, was noch sehr ökonomisch ist, da hierbei nicht täglich jeder eine verlieren darf. Eben so großartig im Kleinen ist die Fabrikation und die Consumtion von Stahlfedern. Die gewöhnlichste Stahlfeder muß durch wenigstens sechzehn besondere Prozesse passiren, ehe sie gebraucht werden kann, feinere Sorten von verschiedenen bessern und edeln Metallen und Compositionen gehen nicht selten durch die Hände von 20 bis 30 Arbeitern. Der Preis und die Arten von Metallfedern sind fast eben so ungeheuer geworden, als die Menge den Verbrauchs. Eine englische Fabrik, durchaus noch nicht die größte, fabrizirt wöchentlich 40,000 Stuck. Die Preise variiren von sechs Pfennigen bis zwei Thaler und darüber für’s Dutzend.
Ersatz der Kartoffel. Im Museum der Naturgeschichte zu Paris hat man einer aus China eingeführten Pflanze, botanisch Dioscorea Japonica genannt, viel Aufmerksamkeit geschenkt und bereits gefunden, daß sie die jetzt so leicht krank werdende Kartoffel auf die glänzendste Weise zu ersetzen im Stande sei. Die Knollen halten die größte Winterkälte aus, ohne nach dem Aufthauen zu faulen oder sich sonst „erfroren“ zu zeigen. Das „Mehl“ darin soll nahrhafter sein, als die nur spärlich mit eigentlichem Nahrungsstoff versehene Kartoffel und besser schmecken. Dabei wird sie leicht sehr groß. In Paris zeigte man eine Knolle von drei Fuß Länge und eine andere, welche drei Pfund wog, so daß sich also später gar oft eine ganze Familie an einer einzigen dieser neuen Kartoffeln würde satt essen können.
Bei Julius Meißner in Leipzig ist erschienen:
Gesellschaft Jesu.
von
G. Julius.
3 starke Bände mit vielen Stahlstichen. Preis 4 Thlr.
Den zahlreichen Subscribenten auf dieses Werk wird es eine angenehme Nachricht sein, daß dasselbe nunmehr vollständig erschienen und die noch fehlenden Hefte durch jede Buchhandlung bezogen werden können.
Für den Theil des Publikums, welchem die „Geschichte der Jesuiten von Julius“ noch nicht bekannt sein sollte, bemerken wir, daß dieselbe nicht mit den gewöhnlichen populären Heftwerken auf eine Stufe zu stellen, sondern ein von der Kritik wegen seiner gründlichen Studien und edlen Unparteilichkeit überall anerkanntes, vorzügliches Geschichtswerk ist, welches allen Freunden der Geschichte, einerlei welcher Parteifärbung, auf’s Beste empfohlen werden kann.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: ihn
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 548. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_548.jpg&oldid=- (Version vom 28.5.2019)