verschiedene: Die Gartenlaube (1854) | |
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das reizende Baidarthal, welches überall für eine sehr schöne Gegend gelten würde und das im Sommer von vielen vornehmen Russen besucht zu werden pflegt. Es gehört zum größten Theile der Familie Mordwinow und ist ein großes, regelmäßiges ovales Becken, rund umher, selbst nach dem Meere zu, von Bergen eingeschlossen, von denen aus man alle Schönheiten desselben mit einem Male erblicken kann. Da das herrliche Thal gegen die kalten Winterwinde geschützt ist und von zahlreichen Quellen bewässert wird, so gedeihen auch die Erzeugnisse der südlichen Klimate vortrefflich. Hier giebt es die schönsten Eichen und das üppigste Getreide der Krim. Bleibt man in einem Dorfe zur Nacht, so findet man die freundlichste Aufnahme, man mag Jude, Türke oder Christ sein, denn die liebenswürdigste Eigenschaft der Tartaren ist ihre Gastfreundschaft. Seit uralter Zeit befindet sich in jeder Stadt und jedem Dorfe der Krim eine Art Gasthaus, Oda, das für die Fremden bestimmt ist, und in dem Wanderer Nachtlager, Feuer und Erfrischungen unentgeltlich erhalten. Bezahlung wird nie verlangt, doch erwartet man von den Wohlhabenden ein kleines Geschenk.
Zur Küste herunter führt eine berühmte Passage, Merdwen oder die Scala genannt. Sie gehört zu den Wundern der Krim, welche jeder Reisende gesehen haben muß. Die Küste bildet eine senkrechte Felsenwand, so daß man bei ihrem Anblicke nicht begreift, wie man an derselben hinauf oder hinunterkommen soll. Es hat sich aber doch an einer Stelle, wo zwei Felsen aneinanderstoßen und einen Winkel bilden, ein schmaler Weg gefunden. Welche Schwierigkeiten die Herstellung dieses Pfades gehabt haben mag, wird man sich vorstellen können, wenn man erfährt, daß ein Theil desselben, der etwa 800 Schritte lang ist, 40 Zickzackwindungen über einander hat. Wann und von wem dieser Wunderweg angelegt wurde, ist völlig unbekannt; Manche behaupten, der Handelsgeist der alten Griechen allein habe solche Schwierigkeiten überwinden können. Zu beiden Seiten fallen ganz glatte Felsenwände ohne Absätze oder Risse lothrecht hinunter, und man reitet zwischen denselben wie auf einer Wendeltreppe oder gar wie in der Luft. Die tartarischen Pferde sind aber so sicher auf den Beinen, daß sie auch diesen Weg ohne Schwierigkeit zurücklegen. Kleine Sträucher, die in der Nähe des Weges in den Felsen wurzeln, dienen allein als eine Art Geländer. Die Aussicht von dieser Treppe ist sehr interessant, denn man überblickt das schwarze Meer unten und einen ziemlichen Theil der Südküste, wo die großen Güter mit den reizenden Villen und stolzen Schlössern der vornehmen Russen in reizenden Gärten und Rebenpflanzungen liegen.
Zunächst führt der Weg nach Alupka, wo der Fürst Woronzow ein Schloß besitzt.
So eben ist bei dem Verleger der Gartenlaube erschienen:
Dr. Carl Ernst Bock.
Professor der pathologischen Anatomie zu Leipzig.
Der Verfasser des vorliegenden Werkchens, – welcher auch die in der Gartenlaube über den Bau, den Gesundheits- und Krankheitszustand des menschlichen Körpers handelnden Aufsätze verfaßte und dessen Ansicht es ist, daß die Arzneikunst und die Aerzte weit mehr zur Verhütung als zur Heilung von Krankheiten beitragen können, – wünscht durch dieses Buch die Verbreitung vernünftiger Ansichten über die naturgemäße Pflege des gesunden und kranken Menschenkörpers zu fördern. Dieser Wunsch, ein Ergebniß reicher und trauriger Erfahrungen in der Kinderstube, am Krankenbette und Zeichentische, ist gewiß gerechtfertigt, wenn man die jetzige unverständige und naturwidrige Behandlung des menschlichen Körpers in allen seinen Lebensaltern beobachtet und wenn man die abergläubischen, man könnte sagen blödsinnigen Ansichten über Krankheiten und Heilkräfte anhören muß. – Wer die Menschen unserer Tage, vorzugsweise aber die Frauen, hinsichtlich ihrer körperlichen Beschaffenheit einer genaueren Betrachtung unterwirft, wird wahrnehmen, daß sich dieselben in einem betrübenden Zustande befinden. Oder wären nicht hinreichende Beweise dafür: die fortwährend und überall hörbaren Klagen über Unwohlsein (über Brust- und Unterleibsbeschwerden, Verdauungs- und Nervenschwäche, Hypochonderie und Hysterie, Scropheln, Hämorrhoiden, Gicht u. dgl.); der von Jahr zu Jahr steigende Besuch altbekannter und neuentdeckter Bäder; die wachsende Zahl der Charlatane und Geheimmittel, der Kaltwasser- und Heilanstalten; die Untauglichkeit eines sehr großen Theiles der männlichen Jugend zum Soldatendienste; die Unfähigkeit der meisten Mütter zum Säugen ihrer Kinder: die Abneigung der Jünglinge und Männer gegen Beschäftigungen, welche Willenskraft und Ausdauer erfordern, dagegen deren große Vorliebe für geistige und körperliche Ruhe.
Forscht man nach der nächsten Ursache dieses körperlichen Verfalles, so ergiebt sich als solche eine naturwidrige Behandlung des Körpers durch Aeltern, Lehrer und durch eigene Willkür. Die Folgen derselben zeigen sich im Allgemeinen als verzögerte und unvollständige Entwickelung den Körpers im Jünglingsalter bei frühreifem (sogenanntem) Verstande, als vorzeitiges Altern in den Mannesjahren und als frühzeitiges Blöd- und Kindischwerden im höhern Alter. Diese falsche Behandlung mit ihren Folgen geht nun aber aus der Unkenntniß des menschlichen Körpers und dem aus dieser Unkenntniß erwachsenden blinden Glauben an eine übernatürliche Heilmacht der Aerzte und Arzneien hervor. Wären die Mütter mit der auf Physiologie gegründeten Pflege des kindlichen Körpers vertraut, so würde die Gesundheit der meisten Menschen nicht schon von Geburt an, oft nur aus reiner Zärtlichkeit der Aeltern, untergraben werden. Hätten die Lehrer die gehörige Einsicht in den Bau und die Function der menschlichen Organe, so würden sie den Geist, welchen sie zu bilden und zu vervollkommnen haben, nicht vom Körper trennen und dem menschlichen Verstande durch Vernachlässigung der Pflichten gegen den Körper die Stufe der Ausbildung versperren, welche zu erreichen er von Natur befähigt ist. Verstände der Erwachsene die Naturgesetze, denen sein Körper in gesunden und kranken Zeiten unbedingt gehorcht, dann würde er nicht durch unsinnige Eingriffe in dieselben seine Gesundheit vergeuden, seine Constitution zerrütten und gegen seine Krankheit gesetzwidrig zu Felde ziehen. Nur in einer auf Kenntniß gegründeten naturgemäßen Behandlung des gesunden und kranken Körpers besteht das Heilmittel gegen den körperlichen und geistigen Verfall der Menschheit; Arzt ist jeder vernünftige Mensch, Unmündige aber können von Aeltern und Lehrern Schutz ihrer Gesundheit verlangen.
Das vorliegende Werkchen giebt in dieser ersten Abtheilung eine Beschreibung des Baues des menschlichen Körpers und der Verrichtungen seiner einzelnen Organe, stets mit Rücksicht auf die wissenswerthen, chemischen, physikalischen und Krankheits-Verhältnisse. Durch 25 feine Holzschnitte wird hoffentlich das Verständniß des Beschriebenen erleichtert. – Die zweite Abtheilung, welche gegen Weihnachten erscheint, wird lehren, wie durch die richtige Pflege der einzelnen Organe des menschlichen Körpers derselbe vor Krankheit geschützt werden kann und wie man bei Krankheitserscheinungen am naturgemäßesten zu verfahren hat. Ein vollständiges Inhaltsverzeichniß soll übrigens dieses Werkchen zum Rathgeber in allen auf die Gesundheit bezüglichen Verhältnissen machen.
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 532. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_532.jpg&oldid=- (Version vom 10.11.2016)