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Seite:Die Gartenlaube (1854) 256.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

langes, interessantes Gespräch mit unserm hielt. Der Capitän erzählte beinahe eine Stunde, um uns mitzutheilen, was ihm das Schiff Alles in der wahrhaften Universalsprache aller Völker zutelegraphirt hatte. Der Erfinder dieser Universalsprache ist der bekannte Capitän Marryat. Die Wort- oder vielmehr Sachzeichen bestehen aus funfzehn verschiedenen, kleinen Flaggen, die am Hintertheile des Schiffes, bis zu einem bestimmten Punkte aufgezogen und zusammengesetzt werden und durch das Fernrohr gut zu sehen sind. Ein großes Buch, in der Form eines Lexikons, giebt die Uebersetzung der Zeichen, die sich natürlich jedes Volk in seiner Sprache hält. Die meisten Capitäne, wie z. B. die Beiden, die sich jetzt begegneten, sind aber so bewandert in dieser Sprache, daß sie gar kein Lexikon nachzuschlagen brauchen, so daß sie sich in der größten Geschwindigkeit in ihren Fragen und Antworten ganze Geschichten erzählen konnten. Alle seefahrende Nationen haben jetzt diese Marryat’sche Universalsprache – das Symbol der Brüderschaft unter gebildeten Nationen – angenommen und können jetzt auf allen Meeren ohne Aufenthalt und ohne besondere Abweichung von ihren Wegen, ohne Kanonen und Sprachröhre, mitten in dampfbeschwingter Eile meilenweit her mit einander reden.

Nach zwölf Mal 24 Stunden bekam die Wasserscheibe vor uns feste Gestalt in nebeligen Höhenzügen und braunen Hügelketten. Gegen Abend leuchteten der Hafen und die Häuser von Halifax immer deutlicher und massenhafter herüber. Wir sind bald im Hafen. Racketen steigen, Kanonenschüsse donnern. Dort drüben am hölzernen Bollwerk drängen sich Lichter und Leute. Die Räder unserer Wasserstadt werden mit jeder Minute stiller. Taue fliegen, eine große Brücke rennt herüber und wir, die wir nicht nach Boston gehen, steigen aus auf amerikanischem Boden und zwar auf einer Stelle, die noch nicht durch Bücher über Amerika erschöpft ist, so daß ich in meinen künftigen Briefen Erlebtes und Gesehenes zugleich auch als neu hinüber zu senden gedenke.




Das Spielen der Kinder.
Für alle Mütter von einer Mutter.

Die Leser und Leserinnen der Gartenlaube sind in vielen und für die Gesundheitspflege überaus lehrreichen und wichtigen Aufsätzen, namentlich auch auf die ersten Lebensbedingungen des Kindes und die Erfordernisse seiner ersten physischen Pflege aufmerksam gemacht worden. Vielleicht scheint es nicht unangemessen, gerade hieran einige Worte über die ersten geistigen Lebensäußerungen des Kindes, wie diese sich im Spiele kundgeben, anzuschließen.

Wie wir von erwachsenen Menschen sagen: Arbeit ist Leben, so müssen wir im Hinblick auf das Kind in der ersten Lebensperiode sagen: Spiel ist Leben, d. h. das Spiel oder Spielen ist ein natürliches Bedürfniß, ja eine nothwendige Bedingung des Kindeslebens und charakterisirt dieses Leben in seinem Gegensatze zu den Erscheinungen und Thatsachen höherer Lebensalter. Ist Arbeit, schöpferisches Wirken die Bestimmung des menschlichen Lebens überhaupt, so ist das Spiel des kleinen Kindes die Vorbereitung hierauf, der erste bedeutungsvolle Anfang dieser Arbeit, entsprechend allenthalben den leiblichen und geistigen Kräften, welche das Kind zu Bethätigung seines Lebens aufzuwenden hat. Jede Mutter, wie gebildet oder ungebildet sie sein mag, wo sie es nicht weiß, so fühlt sie es, daß sie nur mit Scherz und Spiel ihrem Kinde entgegen treten und seine Aufmerksamkeit auf sich und ihre Liebe lenken kann. So viele Mißgriffe in der ersten Kinderpflege begangen werden, selten wird eine Mutter so weit fehlgehen, daß sie mit dem Ernste, den nur ein reifer Verstand faßt, ihr Kind zu unterhalten oder zu bethätigen versuchen sollte. – Spiel ist Leben. Das Kind will und muß spielen; seine Triebe, dazu die durch den Einfluß der Außenwelt zur Thätigkeit erstarkenden und nach ihr verlangenden Sinne (Gesicht und Gehör), endlich die durch die Sinne zum Bewußtsein und zum Wollen erwachende Seele verlangen es so. Spielt das Kind wirklich, durch die Mutter veranlaßt oder aus eignem Antriebe, – so ist dies sonach auch ein Beweis seiner leiblichen und geistigen Gesundheit und der Natürlichkeit seiner Entwicklung. Zeigt es dagegen keine Neigung zum Spiel, blickt es stumpfsinnig und theilnahmlos auf seine Umgebung, die sich alle Mühe giebt, es zur Selbstthätigkeit im Spiel anzuregen, dann müssen wir auch sagen: Wo kein Spiel, da kein Leben. Sicher ist ein Kind krank oder es walten Hemmnisse und Störungen in der harmonischen Entwicklung seines Gesammtorganismus ob, wenn es, sobald die Zeit dazu gekommen ist, auf die Einwirkungen der Mutter oder seiner Pflegerin keine Rückäußerung zu erkennen giebt, durch kein Lächeln, keine Bewegung seiner kleinen Glieder sein Wohlgefallen ausdrückt. Wie wichtig und nothwendig ist hier eine sorgfältige Beobachtung durch die Mutter und die übrige Umgebung, um zu rechter Zeit aufkeimenden Uebeln entgegenzuarbeiten; wie wichtig, wenn Aeltern wissen oder erfahren, daß durch eine solche Gleichgültigkeit gegen das Spiel und gegen alle höhern Sinneseindrücke nicht selten spätere Geistesschwäche und Blödsinn sich ankündigen, wovon wir jetzt so oft hören. – Sehen wir nicht auch unter den Erwachsenen überall Krankheit; – leibliche, geistige, sittliche, – wenn ihnen die so wichtige Lebensbedingung – Arbeit, fehlt, wenn sie weder Neigung noch Geschick zur Arbeit und keine Freude an derselben haben? –

Gewinnt schon bei einer solchen allgemeinen Betrachtung das Spiel des Kindes eine große Bedeutung für die Erziehung des Letzteren, so wird uns diese Bedeutung, dieser hohe Sinn, um mit dem Dichter zu reden, noch klarer vor die Seele treten, wenn wir einige der verschiedenen Spiele selbst näher betrachten, mit denen das Kind im Verlaufe seiner ersten Lebensperiode unterhalten wird, oder sich selbst unterhält. – Spiele begleiten den ganzen ersten Entwicklungsgang des Kindes oder gehen vielmehr in natürlich richtiger Reihenfolge wie von selbst aus demselben hervor und wirken ihrerseits wieder bestimmend und fördernd auf denselben ein. Wie diese Spiele in den Augenblicken der Beschäftigung mit ihnen dem Kinde Unterhaltung und Freude gewähren, so sind sie zugleich die Nahrung, durch welche der Geist desselben allmälig zum Selbstbewußtsein und zur Beschäftigung mit ernsteren Dingen heranerzogen wird; – leichte und doch kräftige Speise, zu vergleichen der Muttermilch, die das einfachste und zugleich heilsamste Mittel der Körperkräftigung des kleinen Kindes ist. – Blicken wir auf den Gang der Entwicklung des Kindes von der Geburt ab, so sehen wir, scherzt und spielt die Mutter mit dem Kinde redend, singend und durch Geberden vom ersten Lebenstage desselben und lange bevor das Kind Verständniß oder auch nur Aufmerksamkeit beweist. Wird man diese Handlungsweise der Mutter bedeutungslos, überflüssig oder unnütz nennen dürfen? Keineswegs. Die Mutter gehorcht hier einem Gesetz, einer weisen und wohlthätigen Einrichtung ihrer Natur, zufolge welcher sie durch den Ausdruck der uneigennützigsten Liebe gewissermaßen den Weg zuvor bereitet, auf dem der Geist ihres Kindes in das Leben eingeführt werden und seine Richtung erhalten soll. –

So werden alle Mütter fast ohne Ausnahme mit ihrem Kind, noch bevor dasselbe mit vollem Bewußtsein sehen, hören, viel weniger verstehen kann, eine Art „Verstecken und Suchen“ spielen. „Wo ist mein Kindchen, mein Hänschen, Maxel, Fränzchen?“ – so und ähnlich werden Alle ihre Kleinen fragen und dann die Beantwortung durch allerlei Geberden und Spiele, die ihnen die Liebe lehrt, darzustellen wissen. Dieses erste Spiel, so bedeutungslos es auf den ersten Blick erscheinen mag, da sich hierbei das Kind im Anfange fast ganz passiv verhält, ist doch von nicht geringer Wichtigkeit; denn es ist dasselbe die erste Ansprache an den im Kinde schlummernden Geistesfunken, die erste Anregung zu Erweckung des Selbstbewußtseins. Sehen wir nun, wie dieses Spiel sich fortsetzt und erweitert. Erkennt die Mutter an dem Lächeln des Kindes und seinen auf ihr fester haftenden Blicke die ersten Spuren geistiger Regsamkeit, so wird sie nun dasselbe Spiel, dieselbe Frage: Wo ist mein Kind? in lebhafterer Weise und sprechenderem Geberdenausdrucke wiederholen. Sie wird ringsumher blickend scheinbar ihr Kind suchen, gespannt wird ihr der Blick des Kindes folgen, bis sie mit dem bezeichnenden Ausrufe, da ist

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_256.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)