verschiedene: Die Gartenlaube (1854) | |
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Aehnlich gestaltet, aber nicht zu Schnüren verbunden sind die Eier der Schmalwanze (Ranatra linearis) Fig. 7. welche als nächste Verwandte des Wasserskorpions mit diesem auch, wiewohl seltener, an denselben Orten gefunden wird.
Diese letzt beschriebenen beiden Eierarten sehen manchen Pflanzensamen täuschend ähnlich, besonders den Samen mancher Körbchenblüthler, wohin z. B. Sonnenrose und Löwenzahn gehören, und mancher Scabiosen.
Zu den sonderbarsten Formen des Insekteneies aber gehören die Eier der schönen Florfliegen (Hemerobius), welche Dir sicher, wenn auch nicht unter diesem Namen, bekannt sind. Sie sind Ordnungsverwandte der Libellen und haben vier ziemlich breite, gleich große, zarte Flügel mit einem äußerst zierlichen und feinmaschigen Adernetz. Sie halten sich gern in unsern Zimmern, namentlich in selten geöffneten, an den Fenstern auf und fliegen uns Abends nicht selten in die Flamme unseres Lichtes. Sie zeichnen sich aus durch halbkugelig am Kopfe bervortretende Augen, welche in wunderschönem Goldgrün glänzen. Diese Thiere heften ihre Eier truppweise zusammen auf langen haarfeinen Stielchen an Pflanzenblätter fest und sind diese daher lange selbst von den Naturforschern für Blattpilze gehalten worden (Fig. 8). Die daraus auskriechenden Larven jagen dann auf den Pflanzen nach Blattläusen, die sie aussaugen und deren Bälge dann an dem mächtig bepuderten Leibe der Larven hängen bleiben.
Als ich einst bei Triest auf einem Steine festgeklebt ein solches Ding fand, wie Dir Fig. 9 in natürlicher Größe zeigt, wußte ich Anfangs selbst nicht, wofür ich es halten solle. Es ist ein wunderliches gelblich graues wie aus Hausenblase gemachtes blättriges Gebilde, was man, wenn es trocken ist, leicht nach den Blättern zerbrechen kann. Inwendig findet man dann, siehe rechts den Durchschnitt, eine Menge längliche Eier. Sie gehören der im südlichen Deutschland vorkommenden Heuschrecke, mit dem sonderbaren Namen der Herrgottanbeterin (Mantis religiosa), an. Indem das Weibchen die Eier ablegt, baut es zugleich um dieselben aus einem, schnell zu einer derben Haut erhärtenden, Schleime die sonderbare Hülle, die man leicht selbst für ein selbstständiges aus Schildern regelmäßig zusammengesetztes Wesen halten könnte.
Sind auch meine Eifiguren hier am Ende, so würde doch die Insektenwelt für viele andere Stoff bieten. Oft wahrhaft staunenerregend sind die Anstrengungen und Arbeiten, welche die weiblichen Insekten übernehmen, um ihre Eier so unterzubringen, damit es nachher die auskommenden Lärvchen behaglich finden. Eine kleine Wespe baut z. B. für jedes einzelne Ei, deren sie doch wenigstens nach und nach zwanzig legt, eine kugelrunde haselnußgroße Höhle, die sie im Freien an Mauern, zwischen Steinen, an Felsen u. s. w. anbringt, und dann, bevor sie dieselbe verschließt, daß sie eine hohle Kugel ist, zu dem Ei einige lebendige Räupchen sperrt, welche dann ihrem Larvenkinde zur Nahrung dienen.
Denke an die Bienen und gemeinen Wespen, die für jedes einzelne Ei eine so kunstvolle sechseckige Zelle bauen, als hätten sie Zirkel und Maaß dabei angewendet. Belausche den bekannten schneeweißen Schmetterling, den Goldafter (Liparis chrysorrhoea), wie er seine goldbraunen Afterhaare mit den Flügeln auf den eben gelegten Eierhaufen herunterbürstet und diesen dadurch vor den scharfen Augen der Singvögel doch nicht gut genug verbirgt. Ein wunderbarer Instinkt lehrt, die Pferdebremse (Ostrus equi), ihre Eier an diejenigen Theile des Pferdeleibes zu legen, wo diese sich lecken kann, damit sie von dem Pferde verschluckt und in den Magen befördert werden, wo die Bremsenlarven allein ihren gedeihlichen Entwickelungsort finden. Die grausamen Schlupfwespen oder Ichneumoniden suchen andere Insekten auf, am häufigsten Schmetterlingsraupen, denen sie ihre Eier auf den Leib heften, aus denen dann die Lärvchen dem armen Schlachtopfer sich unter die Haut bohren und von dessen Lebenssäften zehren. Eines dieser Thierchen, die Gattung Teleas, ist so klein, daß es gegen zwölf seiner unendlich kleinen Eierchen in ein Schmetterlingsei legt, dessen Inhalt dann ausreicht, die Teleaslärvchen wenigstens eine Woche lang und zwar bis zur Verpuppung zu nähren! Bis endlich die Gallwespen als Meister der wahrhaften natürlichen Magie aus ihrem Reiche heraus einen kühnen Griff in das Pflanzenleben thun und durch ein unaussprechlich winziges Tröpfchen eines mit dem Ei in das Eichenblatt gebrachten Saftes dieses zwingen, als Wiege und Speisekammer zugleich um das Gallwespenlärvchen den Gallapfel zu bauen.
Ueberall das ganze Jahr hindurch sind zahllose Eier dieser Thierklasse, die eine unausdenkbar wichtige Rolle im Naturhaushalte spielt, wenn auch meist für uns unsichtbar verbreitet. Erinnere Dich an die als „Landplage“ sprüchwörtlichen Heuschrecken. In einer Gemeinde sammelte man 1833 bei Marseille 3808 Kilogramm Heuschreckeneier, was nach einer Schätzungszählung über 300,000,000 Eier beträgt. Gewiß sind dort mindestens doppelt so viel dem Auge der Sammler entgangen.
Mein nächster Brief soll Dir Einiges von dem Larvenzustande der Insekten berichten.
Gleich von Beginn des russisch-türkischen Streites an, der jetzt ganz Europa in ängstliche Spannung versetzt, waren Aller Augen erwartungsvoll auf das englische Kabinet gerichtet, von dessen Haltung die Entscheidung der großen durch den Kaiser von Rußland herauf beschworenen Frage abhing. Die Leiter der französischen Politik, so weit es deren neben dem Kaiser Ludwig Napoleon giebt, flößten als politische und diplomatische Parvenus bei weitem nicht das Vertrauen ein, wie die Männer der englischen Regierung. Erstlich ist man bei den Franzosen stets an etwas Abenteuerlichkeit gewöhnt; sodann hat das erst seit wenigen Jahren bestehende und unter außerordentlichen Verhältnissen entstandene Kaiserregiment noch nicht jenen stets fester wurzelnden Bestand für sich, den die Länge der Zeit verleiht; ferner mußte man hier allenfalls Entschlüssen entgegen sehen, die vielleicht nur um des die Franzosen stets blendenden Nationalruhms willen gefaßt werden mochten; so konnte man letzte Zwecke der französischen Kaiserregierung vermuthen, und daher ihren ersten Mitteln gleich mißtrauen.
Bei dem englischen Kabinet war dies ganz anders: in ihm saßen gereifte Männer, Männer, die mehr oder weniger über ein Vierteljahrhundert lang die Zügel der Regierung in Händen gehalten, und eingeweiht in die geheime Politik Europa’s waren. Die Entschlüsse, die sie faßten, wurden nicht ohne schweren Widerstreit gefaßt; es war ein gewissenhaftes Abwägen, ein harter innerer Kampf, ein bedächtiges Zuwerkegehen; und wenn endlich auch sie mit der Erklärung endigten: „Wir können nicht anders!“ so kann dies selbst dem entschiedensten Friedensgesellschaftler eine Garantie sein, daß die durch Rußland herbeigeführte Lage keine andere als gewaltsame Entscheidung mehr übrig ließ.
Als das gegenwärtige englische Kabinet im December 1852 an’s Ruder gelangte, taufte man es das Kabinet der Kapacitäten. Neben Lord John Russel bestand es aus Aberdeen als Premierminister, Gladstone, Graham, Palmerston, Newcastle, Molesworth und andere. Einer bestimmten Parteifarbe, wie dies sonst in England der Brauch ist, entbehrte diese Zusammenstellung: das gemäßigt-conservative, das liberale und selbst das radicale Element (durch Molesworth) fand sich vertreten, die Parteifarbe fehlte diesem Ministerium, alles Andere nicht. Was England an, durch Talent, Genie, Erfahrung, staatsmännische Gelehrsamkeit und Popularität, hervorragende Persönlichkeiten aufzuweisen hatte, erschien in dem Rathe der Krone. Keine Stimme erhob sich gegen die Weisheit und Befähigung der neuen Minister, und doch wurde allgemein an der Dauer dieses Kabinets gezweifelt, weil die verschiedenen Mitglieder sich nicht auf ein und demselben politischen Standpunkte befanden. Jene Befürchtung ist unerfüllt geblieben, gewiß ist aber, daß der Umstand, der sie hervorrief, die Ursache des bedächtigen Vorangehens Englands war.
Lord John Russel erhielt in dem neuen Kabinet das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten und die Führung des Unterhauses. Ersteres, das er überhaupt nur provisorisch übernommen, trat er schon nach sieben Wochen an Lord Clarendon ab, um sich nur mit der letztern Stellung zu begnügen, was,
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_176.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)