verschiedene: Die Gartenlaube (1854) | |
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die übrigen Frauen! – Nun mischt sie sich an Ende noch gar in mein Hauswesen; aber das soll ihr schlecht bekommen!“
„Aber Leonie, sie ist ja die Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit selbst! – Sie sagt ja kein Wort gegen Dich!“
„Schöne Bescheidenheit das! Voller Eitelkeit ist sie. Siehst Du nicht, daß sie es auf Dich abgesehen hat? – Sie will Dir Suppen kochen und Dein Kind erziehen; und das soll ich zugeben?“
„So thue es doch selbst!“
„Da haben wir es schon!“ Sie brach in Thränen aus. „Ich arme, unglückliche Frau! Hin ist mein Glück! Ich besitze den begabtesten aller Sterblichen und vermag es nicht länger, ihn zu fesseln. Diese Falsche, diese Coquette, diese kleinliche Principienreiterin will mir das Herz meines angebeteten Ludwig abwendig machen! – Auf meinen Knieen flehe ich Dich an, geliebtester aller Ehemänner, laß mich diese Schmach nicht erleben! Tödte mich, wenn Du willst, aber erhalte mir Deine Liebe!“
„Ich bitte Dich, Leonie, steh’ auf! Es ist ja auch nicht die geringste Veranlassung zu einer solchen Scene. Wenn unser Kind nun käme und seine Mutter in dieser Stellung träfe!“
„Mag sie kommen, Ludwig! Mag sie doch Zeuge sein, was ein liebendes Weib empfindet, wenn die Funken der Eifersucht in ihrem Busen erglühen. – Mag sie kommen! Sie soll neben mich knien und die gefalteten Hände zu Dir erheben; ihren Bitten wirst Du nicht widerstehen.“
„Was soll ich denn aber thun, Leonie? Was willst Du denn eigentlich?“ fragte der Pastor mit der Miene eines Verzweifelnden, während die rothen Flecken auf seinen Wangen noch röther wurden und sein Auge einen fieberhaften Glanz bekam.
„Was ich will? Großer Gott! Das fragst Du noch? – Das Gelübde Deiner ewigen, unverbrüchlichen Liebe will ich; denn ohne diese bin ich nichts und das ganze Leben ist eine Wüste für mich. Sage, daß Du ganz mein bist; gelobe es mir und ich ziehe getrost von dannen.“
„Hier meine Hand darauf, Leonie, daß Du auch nicht die geringste Ursache hast, an einen Wankelmuth meines Herzens zu glauben. – Rege Dich doch aber nicht mit solchen nutzlosen Scenen auf, ich bitte Dich darum!“
Sie stand auf und bedeckte seine dünne weiße Hand mit Küssen. „Wer liebt, wie ich liebe, der kann nicht auf dem Pfade gemeiner Alltäglichkeit mit seinen Empfindungen wandeln!“ sagte sie. „Du hast mir Deine Hand darauf gegeben, so glaube ich Dir; denn Du bist ein Ehrenmann. Ich gehe jetzt, mich anzukleiden, für Dich! Denn wem möchte ich sonst gefallen, als ihm, welchem die ersten Gefühle meines Herzens gewidmet waren?“ – Sie stürmte hinaus, und der Pastor kehrte langsam in sein Zimmer zurück. Als das Mittagsessen aufgetragen war, begegneten sich beide Gatten auf’s Neue. Die Suppe war versalzen, das Fleisch ausgekocht und geschmacklos; aber der Pastor verlor keine Silbe darüber, ja er beherrschte sogar seine Miene, um nur die Veranlassung zu einer neuen Scene zu vermeiden.
Welch’ drohende Wetterwolken auch am politischen Horizonte Europa’s schweben, wie immer auch ein gewaltiger Zusammenstoß zwischen Ost und West unvermeidlich geworden zu sein scheint, kurz, ob Alles auf den Ausbruch eines Weltbrandes deute, noch ist im Augenblicke die Gefahr nicht so groß, um die Begehung des friedlichen Festes, das die deutsche Industrie nächstens in München feiern will, zu stören. Daß der gegenwärtige Zeitpunkt deshalb für eine Schaustellung deutscher Industrie ein glücklicher sei, wollen wir nicht sagen, denn die allgemeine öffentliche Stimmung ist eine trübe und bekümmerte, die industriellen Unternehmungen liegen zum Theil darnieder oder stocken, und zur Hälfte gebrochen ist die Zuversicht der Industrie, die eine so erschütternde Gefährdung ihrer Interessen durch die europäischen Regierungen um einer politischen Frage willen, nicht für möglich hielt. Man hatte sich lange in dem Gedanken gewiegt, daß die ungeheuern in industriellen Unternehmungen angelegten Summen eine unumstößbare Bürgschaft für den Weltfrieden sein müßten, daß ein Weltkrieg zu den Unmöglichkeiten gehöre, und nun, wenn er auch noch nicht da ist, so pocht er doch drohend an die Pforten, und alle Berechnungen haben sich als trügerisch erwiesen.
Die politischen Verwickelungen, unter denen ebenfalls auch die Londoner Weltindustrieausstellung vorbereitet wurde, waren bei Weitem weniger gefährlicher Art als die gegenwärtigen, doch schien damals Deutschland der Schauplatz eines Bürgerkriegs werden zu wollen, während die jetzige Haltung der deutschen Regierungen vor Allem darauf berechnet ist, von dem gemeinsamen Vaterlande wenigstens die unmittelbaren Drangsale des Krieges fern zu halten. Gönnen wir daher immerhin unsern Nachbarn in Osten und Westen des Kriegsruhms leicht verwelkliche Lorbeeren, und beklagen wir uns nicht ob den Kontrasten, daß, wenn vielleicht unweit unserer Grenzen des Krieges Stürme rasen, wir an die Isar friedlichen Göttern opfern gehen.
Der Zauber, den der für die große Londoner Ausstellung erbaute Glaspalast ausübte, ist ein so nachhaltiger gewesen, daß man für alle ähnlichen Fälle von dieser Art Construction nicht mehr zurückzukommen scheint. Der Engländer Paxton ist damit der Gründer eines neuen Baustyls geworden, der auch für das Ausstellungsgebäude in München festgehalten worden ist, und wie der Londoner Glaspalast in Hydepark erhebt sich der Münchener in leichten und eleganten Formen an der Stelle des ehemaligen botanischen Gartens. Die grünenden Pflanzen und duftigen Blumen mußten den Erzeugnissen menschlichen Gewerbfleißes Platz machen!
Die Erdarbeiten wurden mit dem 18. Oktober v. J. begonnen, am 27. Februar d. J. aber richtete man zu dem Gebäude, von welchem wir heute unsern Lesern eine Abbildung geben, die erste Säule auf, und in nicht viel mehr als drei Monaten wird es beendet sein, da die Eröffnung der Ausstellung für Mitte Juni anberaumt ist. Der schnelle Aufbau so mächtiger Räumlichkeiten und die Möglichkeit, diese sofort den Erzeugnissen der Industrie zu öffnen, konnte einzig und allein durch das dazu verwendete Material, Eisen, Glas und Holz, erzielt werden. Die Zuarbeitung aller Theile (die Eisenarbeiten gingen aus der rühmlich bekannten Gießerei des Herrn Kramer-Klött in Nürnberg hervor) konnte im Voraus stattfinden, und so lag der ganze Glaspalast eigentlich schon aufgeschichtet da und braucht nur noch Stück an Stück zusammengefügt zu werden. Da nur trocknes Material dabei zur Verwendung kommt, so sind die auszustellenden Gegenstände keinen, aus der sonstigen Feuchtigkeit neuer Gebäude entspringenden Nachtheilen ausgesetzt.
Der gesammte Bauplan rührt von dem Oberbaurath Voit in München her, der, nachdem sein Entwurf die Genehmigung erhalten, auch mit der Oberleitung des Baues betraut wurde. Das Ausstellungsgebäude bildet demnach ein Rechteck von 800 Fuß Länge und 160 Fuß Breite, in der Mitte rechtwinklich durchschnitten von einem 285 Fuß langen und 160 Fuß breiten Transsept[1]. Das Langschiff und Transsept sind in drei Schiffe getheilt, von denen das Mittelschiff 80 Fuß breit, und jedes der Seitenschiffe 40 Fuß breit ist. Die Seitenschiffe sind wieder jedes durch eine Säulenreihe getheilt, auf welcher die Umfassungswand des über die Seitenschiffe beträchtlich emporragenden Mittelschiffs ruht; das Transsept seinerseits steigt wiederum höher hinan als das Mittelschiff. Hierdurch entsteht eine dreifache Abstufung, die verbunden mit dem durch das Transsept und die östlichen und westlichen Anbauten bewirkten Hervortreten einzelner Theile, dem ganzen Gebäude ein belebtes äußeres Ansehen giebt, zu dessen Verschönerung die feinen eisernen Verbindungsglieder, die glänzenden Glasmassen, die obenhinziehenden durchbrochenen Gallerien und endlich die aufgesteckten Fahnen nicht wenig beitragen. Der Münchener Glaspallast ist jedenfalls ein Gebäude von gefälligern Formen geworden, als es der Londoner war, allein der Typus ist der gleiche geblieben, und der weniger baukundige Beschauer wird
- ↑ Der Londoner Glaspalast war 1848 Fuß lang und 408 Fuß breit.
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_158.jpg&oldid=- (Version vom 7.12.2019)