verschiedene: Die Gartenlaube (1854) | |
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Endlich versinkt sie in Schlaf. Nun wollen sich die Männer nach der geflüchteten Dienerschaft umsehen, da finden sie den gottvergess’nen Dubois auf der Hausflur liegen. Keiner seiner Diener, keine seiner Freundinnen hat sich um ihn bekümmert; Alle sind sie über ihn hinweggestürmt, um das Freie zu gewinnen. Die beiden Männer heben ihn auf und tragen ihn in sein Zimmer. Sie halten ihn für ohnmächtig, aber er ist kalt und steif. Die Medikamente, die Rettungsversuche werden nun bei ihm angewandt. Vergebens! Sie müssen sich bald überzeugen, daß er todt ist. Der Schrecken hat den betrunkenen Wüstling mitten in seinen Lüsten getödtet.
Senac trifft genaue Vorsorge, daß Madelaine durch nichts gestört werde. Mit einem seltsamen Gemisch von Freude und Schmerz holt er Aerzte und andere Leute herbei. Dann bewacht er ängstlich eifersüchtig Madelainen’s Schlaf.
Dubois ist und bleibt todt! Seltsamer Wechsel des Geschicks!
Am zweiten Tage nimmt er den Sarg ein, in welchem seine unglückliche Gattin gelegen. Sie erfährt nichts von ihrer wunderbaren Erlösung, nicht daß sie im Grabe gelegen und daß ihr unwürdiger Gatte nun ihre Stelle eingenommen hat. Aber sie erstarkt schnell unter des geliebten Senac’s sorgsamer Pflege. Nun erst berichtet er ihres Gatten Tod. Sie faltet die Hände und flüstert ein Gebet für das Heil seiner Seele. Aber ihr Auge leuchtet dankbar für die Befreiung von ihrem Peiniger.
Erst als sie vollkommen genesen, erfährt sie den ganzen Zusammenhang, und ihr feuchter Blick hängt dankbar an den selig lächelnden Zügen ihres Retters.
Madelaine wurde nun die Erbin des Mannes, der eben mit Frohlocken im Begriff gewesen war, ihr reiches Besitzthum als Erbschaft einzustreichen. Niemand lebte mehr, der ihr hinderlich sein konnte, der Stimme ihres Herzens zu folgen. Nach dem gesetzlichen Trauerjahre wurde sie die Gattin ihres geliebten glücklichen Senac, der unterdessen die Apotheke von seinem alten Prinzipal käuflich erworben hatte. Die ganze Stadt nahm freudigen Antheil an der Vereinigung des edlen Paares.
Die Wiedererweckung Madelainen’s durch Senac’s Hand hatte aber noch eine andere glückliche Folge, an die Niemand vorher gedacht hatte. Senac ließ an der Borderwand der Apotheke zum ewigen Angedenken an die wunderbare Begebenheit, die ihn zum glücklichsten Manne gemacht hatte, ein Gemälde anbringen. Man sah da die schöne Madelaine, wie sie noch halb in den Armen des knöchernen Sensenmannes liegend und halb daraus emporstrebend von Senac, der vor ihr stehend ihr die Hand und ein Heilkraut reicht, dem Tode entrissen wird.
Dieses Gemälde vollendete, was die Rettung selbst begonnen hatte, nämlich sie pflanzten der Bevölkerung der Stadt und der Provinz einen unerschütterlichen Wunderglauben an die Geschicklichkeit Senac’s und die Heilkraft seiner Medicamente ein. Niemand zweifelte daran, daß er die geliebte Frau wirklich vom Tode auferweckt habe. Er ließ sich zum Arzt promoviren, und der Zulauf zu ihm wurde weit und breit her ungeheuer, zumal er wirklich als geschickter Arzt glückliche Kuren machte. Man glaubte nun einmal steif und fest, in seinen Medikamenten sei eine größere Heilkraft als in andern. Er wurde dadurch zum steinreichen Manne, und seine blühende Nachkommenschaft wußte das günstige Vorurtheil der Menge für die Apotheke geschickt zu erhalten.
Ein Stiergefecht auf der Insel Madagaskar.
Nicht Spanien allein ist das Land der Stiergefechte, jener blutigen Schauspiele, welche unsere humane Zeit nachgerade in Acht und Bann zu thun begonnen hat; auf der ostafrikanischen Insel Madagaskar gehören sie ebenfalls zu den Belustigungen des Volks.
Ich hatte Gelegenheit, einem Stiergefechte in Mazangai beizuwohnen, nachdem mir von früherer Zeit her die spanischen nicht unbekannt waren. Ueber letztere würde ein Madagasse mitleidig lächeln, so ganz furchtbar anders ist bei ihm der Kampf.
Man kann sich nicht leicht etwas großartiger Wildes, grauenhaft Schöneres vorstellen. Da giebt es für den Toreador keine Schlupfwinkel, wohin er sich nöthigenfalls vor der Wuth seines Feindes retten kann, und kampflustig genug sind auch die madagassischen Stiere, um nicht erst wie die spanischen durch rothe Tücher gereizt werden zu müssen.
Der erste beste Madagasse, mit einem Wurfspieß und kurzem Beile bewaffnet, trat hervor und näherte sich schnell einer Heerde wilder Stiere, deren drohende Hörner und von Zorn geschwollene Nasenlöcher die Lust zum Kampfe verriethen. Das Auge des Madagassen suchte einige Augenblicke wählend unter den Thieren, bis er dasjenige, das ihm das stärkste und bösartigste schien, herausgefunden hatte.
Dann schleuderte der madagassische Toreador seinen Wurfspieß mit fester Hand auf den Feind, und das Gefecht begann. Nach kurzem Besinnen stürzte sich der verwundete Stier ungestüm auf seinen Angreifer, der, da sein Wurfspieß in den Weichen des Thieres sitzen geblieben, schon zur Hälfte entwaffnet war. Der Stier suchte schmerzlich brüllend seinen Gegner nach allen Seiten hin und wurde nur noch wüthender, als er statt diesen zu fassen, mit seinen Hörnern immer nur in die leere Luft stieß. Mit freudestrahlendem Auge und lächelndem Munde schlüpfte der behende Madagasse fortwährend rechts und links an den Seiten des Stiers vorüber, der durch diese muthwilligen Neckereien immer erboßter wurde. Bisweilen, wenn das grimmige Thier seinen Kopf zum furchtbaren Stoße senkte, glaubte ich den Madagassen unrettbar verloren. In demselben Augenblicke aber setzte er seinen Fuß auf die breite Stirn des Thieres, und flog dann mit einem fünfzehn Fuß hohen Sprung über dasselbe weg, um leicht wie ein Tiger wieder auf die Füße stehen zu kommen.
Nach und nach erhitzte sich jedoch der Toreador an dem wagehalsigen Spiele und kein Lächeln umspielte mehr seinen Mund. Seine Blicke nahmen einen wildern Ausdruck an, seine Muskeln schwollen straffer und ernstlicher begann der Kampf. Schnell und immer schneller umkreiste er den Stier, sein blankes Beil, das im Sonnenscheine ringsum Blitze warf, hoch in der Luft schwingend. Allmälig wurden die Kreise, die er beschrieb, enger, und endlich, als er den rechten Moment gekommen glaubte, stürzte er sich mit einem heisern Geschrei rasch auf seinen furchtbaren Feind, der plötzlich schwankte und wie vom Blitze getroffen hinstürzte. Der Madagasse hatte ihm mit einem Hiebe die Gelenke der beiden Hinterfüße durchhauen.
Es gewährte einen traurigen Anblick, wie jetzt das arme Thier, das eben erst noch so fürchterlich schön in seiner Wuth war, sich, eine lange Blutspur hinterlassend, mühsam fortschleppte und in ein klägliches, weithin hallendes Gestöhn ausbrach. Der Madagasse vervollständigte schnell seinen Sieg, indem er mit einem letzten Beilhiebe seinem Opfer den Kopf spaltete.
Einige dreißig Stiere wurden so auf die verschiedenste Art erlegt, und ich hoffte schon, dieses blutige Schauspiel, das mir, als bloßem Zuschauer, der an der Aufregung und Gefahr des Kampfes keinen Theil hatte, schließlich widerwärtig geworden war, beendigt, als ich plötzlich eine junge und sehr hübsche, böchstens sechszehnjährige Madagassin hervortreten sah, die ihrerseits den Kampf versuchen wollte. Ein Madagasse, vermuthlich ihr Geliebter oder Mann, begleitete sie.
Peinlich ergriff es mich bei dieser Scene; auf die ich nicht gefaßt gewesen.
Nachdem sich das junge Mädchen unter den Stieren einen Gegner herausgewählt, schleuderte es fröhlich jauchzend den Wurfspieß auf ihn ab. Der Stier, mitten in die Brust getroffen, stieß ein wüthendes Geheul aus und stürzte sich in mächtigen Sprüngen auf seine stolze und hübsche Feindin. Diese lies sich von diesem Angriff, auf den sie übrigens gefaßt sein mußte, nicht außer Fassung bringen, und schwebte leicht und anmuthig um das zornschnaubende Ungeheuer.
Dieses gefährliche Geplänkel, das mir das Herz zusammenschnürte, dauerte ziemlich lang. Durch einige ermuthigende oder vorwurfsvolle Worte, welche der Geliebte fallen ließ, angeregt,
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_049.jpg&oldid=- (Version vom 20.4.2020)