verschiedene: Die Gartenlaube (1854) | |
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im Ganzen und Einzelnen wird oft von einer einzigen Capitalisten-Gesellschaft betrieben. Die Brauer von London lassen Dreiviertel der Bierlokale auf eigne Rechnung betreiben, außerdem gehört ihnen schon eine ganz große Zeitung, der Morning-Advertiser.
Diese monopolisirende Macht des associirten Capitals erklärt zum großen Theile das Zusammensinken der vielen Mittelleute und deren massenhafte Auswanderung, eben so das gewaltige Fieber der Arbeitseinstellungen. Es ist ein Bürgerkrieg des Arbeits-Capitals mit dem associirten und monopolisirten des Geldes und Credites.
Gegen die vereinigte Macht des Detail- und Engros-Geschäfts giebt es keine Macht mehr, weil sich in ihnen der Gewinn beider Geschäftsarten ohne Mittelspersonen vereinigt. Dem Käufer kommt dies einstweilen zu Gute, denn er hat blos einen Profit zu zahlen. Freilich, wenn sich das Monopol erst seiner bewußt wird, schröpft es die Leute in der Regel um so ärger. Dabei ist die Ladenmiethe mit jedem Jahre so bedeutend gestiegen, daß der Käufer mit jedem Schritte in ein solches Geschäft bedeutend dazu beitragen muß. Mancher Laden in London kostet mehr, als das ganze Budget eines deutschen Fürstenthums austrägt. Er kostet täglich mehr, als den ganzen Jahrgehalt eines gut situirten Schulmeisters. Um in einen guten Laden nur hineinzukommen, sind schon 2000 Pfund oder 14000 Thaler bezahlt worden. Ich denke hier an ein ganz bestimmtes Beispiel: es war ein bloßer Bilderladen. Aber bei aller Theurung und den massenhaften Abgaben, die auf Häusern und Läden liegen, steigt doch der Begehr und Preis letzterer seit 20 Jahren ununterbrochen fort, weil die Vortheile vielleicht noch im höhern Grade steigen, als der Preis und die darauf ruhenden Kosten – denn der Londoner Ladenbesitzer wohnt nicht nur mitten unter 21/2 Millionen Menschen, die alle gern kaufen, sondern auch in der Stadt, wo für alle Welt gekauft und gearbeitet wird und die ganze Aristokratie Englands mit ihren Millionen alle Jahre 5–6 Monate wohnt und halb England zu Wasser und zu Lande herbeieilt, um hier einzukaufen. So strömt ein ununterbrochener Fluß baaren Geldes stets über seinen Zahltisch: er giebt und bekommt keinen Credit. In der Provinz hat der Ladenbesitzer bestimmte Kunden, die bald Credit verlangen und haben müssen und von denen alle Jahre so und so viel durchgehen. Das kennt man in Londoner Läden nicht. Immer mit einer Hand das Geld, mit der andern die Waare. Blos Bäcker, Fleischer und Schneider geben gut situirten Familien Credit, außerdem die großen Detail-Geschäfte für die Aristokratie in Regent- und New-Bondstreet u. s. w., welche warten müssen, bis es dem Lord oder der Lady einfällt, nach der Rechnung zu fragen. Auf die geringste Mahnung würde die ganze „Klike“ wegbleiben. Wer’s da aushalten kann, ist in 7–10 Jahren ein gemachter Mann. Die kleineren Capitalisten gehen dabei natürlich zu Grunde. Oft hat schon Dieser und Jener einen Schein-Bankerott gemacht und seine schweren Aristokratie-Rechnungen einem Freunde zum Einkassieren übergeben, um selbst nicht zu mahnen.
Im Ganzen strömen aber immer fremde Leute in den Läden aus und ein, die stets baar bezahlen.
Mit der Wohlthat, keine Kunden, also auch keine schlechten auf Rechnung, sondern immer mit Fremden gegen baar zu thun zu haben, hängt freilich auch ein nicht unbedeutender Uebelstand zusammen. Es bilden sich in verschiedenen Hauptverkehrsstraßen Banden von Gaunern mit Läden, in denen nach den Anzeigen in den Zeitungen ganz besondere, unerhörte, kostbare Dinge, besonders für das schöne Geschlecht, zu haben sind. Eva’s Geschlecht ist neugierig. So nimmt manche Lady ihren Muff und ihren Hut und sucht den Laden auf. Hier wird ihr auf die mannichfaltigste Weise das Geld abgeschwindelt, wenn sie nicht gradezu beraubt wird. Wälder giebt’s nicht mehr für Räuber; so setzen sie sich in Läden oder wohl gar in große Kutschen und treiben ihr Geschäft unter gebildeten Menschen, oft in den besten Zirkeln. Ich kann hier die Gaunereien in und mit Läden nicht detailiren. Deren Art und Geschäft ist Legion. Nur der Curiosität wegen, daß sich unlängst ein Laden blos damit abgab, den Damen, die als Kunden herbeikamen, die Muffs wegzunehmen und sie in’s Schaufenster zum wohlfeilen Verkauf auszuhängen. Solche Gaunerstreiche passiren natürlich immer unter vier Augen. Das Gesetz kann ihnen nicht beikommen. Und wenn sie an einem Ende der Stadt entlarvt sind, setzen sie sich am andern Ende unter anderm Namen und so fort. London besteht aus 30–40 Städten. Sie werden reich, ehe sie überall entlarvt sind. Die verschienen Klassen der Gesellschaft stehen nicht in der geringsten Verbindung, so daß, wenn 100 Leute in der Tausendpfundklasse betrogen sind, noch alle Hundert in der Funfzehnhundertschicht übrig bleiben. Das Pfennig- und Gimpel-Fang-System hat hier auch bessere Gimpel und Gelegenheiten, als in den Hauptstädten anderer großen Länder. Die einzelnen abgeschlossenen Kasten Englands sind im Ganzen viel bornirter, als die mehr durcheinander fließenden Gesellschaften in Paris oder Berlin. Die Massen sind dabei fabelhaft leicht- und abergläubisch. Ein Mann, der einmal ankündigte, wer ihm 5 Schillinge einschicke, könne sich dadurch eine Leibrente von 100 Pfund sichern, bekam von der Post in Geld-Aufträgen über 800 Pfund ausgezahlt, wie wenigstens in den Hansehold-words versichert wird.
Das sind die Schattenseiten eines großen, freien, uncontrollirten Handels und Wandels. Unter strenger polizeilicher und gewerberäthlicher Aufsicht würde vielleicht die Gaunerei nicht so großartig betrieben werden, dann aber auch nicht Industrie, Handel und Wandel. Gegen Betrug kann und muß sich Jeder selbst schützen. „Niemand wird betrogen, Jeder betrügt sich selbst.“ Die Betrogenen sind Schuld, daß es Betrüger giebt. Vor den Folgen der Beschränkung, des Zwanges, der Gewerbegesetze kann sich Niemand schützen; deshalb haben sich die Engländer alle diese väterliche Fürsorge vom Halse geschafft und sind dadurch die Kassirer, Wechsler, Schiffer, Käufer und Verkäufer der ganzen civilisirten Erde geworden. Kein Volk hat solche Titelblätter und Inhaltsverzeichnisse, keins solchen Inhalt.
Gesundheits-Regeln.
Herz! mein Herz! was soll dein Schlagen? Was Dir frommt, das will Dir’s sagen. Denn dem Herzen, als dem Mittelpunkte des Lebens, wird mit Hülfe einer Menge von elektrischen Telegraphen (d. s. Nerven) Alles mitgetheilt, was im Körper und Geiste des Menschen Gutes oder Böses vorgeht und durch Klopfen giebt dann das Herz zu erkennen, daß es die Mittheilung in Empfang genommen. Mit dem letzten Herzschlage hört auch alles Thun und Treiben im Körper auf, und durch die Steigerung in der Dauer, Heftigkeit und Häufigkeit des Klopfens kündigt sich der Grad der natürlichen oder widernatürlichen Anregung irgend eines Körpertheiles an. Legt man das Ohr da an die Brust, wo der Herzschlag zu fühlen ist, so hört man, ob im Innern des Herzens die verschiedenen Kammern gehörig aufgethan und geschlossen werden. Denn 4 Kammern oder Höhlen (c. e. h. k.) besitzt das fleischige Herz (s. Gartenlaube No. 9 v. J.), von denen die beiden obern, dünnwandigen und mit einem blinden Anhange (Herzohr n. o.) versehenen, die rechte und linke Vorkammer (c. h. ) heißen, während die beiden untern, welche sehr dicke, muskulöse Wände besitzen, rechte und linke Herzkammer (e. k.) genannt werden. Die Vorkammern sind die Sammlungsapparate und Zubringer des Blutes für die Herzkammern, diese letzteren treiben dann vermöge ihrer kräftigen Zusammenziehung das Blut in die großen Pulsadern, und zwar wird dasselbe durch die rechte Herzkammer in die Lungenschlagader (f.), durch die linke Herzkammer in die große Körperpulsader (l.) getrieben. Bei der gleichzeitigen Zusammenziehung beider Herzkammern drängt sich das kürzer und kugliger werdende Herz stärker gegen die Brustwand an und dies bewirkt den Herzschlag, Herzstoß, Herzpuls oder das Herzpochen.
Verfolgen wir den Lauf des Blutes durch das Herz,
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_008.jpg&oldid=- (Version vom 10.4.2020)