Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort | |
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da fleugt ein weiße Tauben;
sie ist so manchem Falken entflogen,
ein Eul hat mirs gefangen.
die läßt mirs wiederum fliegen
gen Regensburg über die Mauren ein,
zu meiner Allerliebsten.
fand sie Niemand darinnen
dann nur ein zarts Jungfräuelein,
das sung von heller Stimme.
wenn ander Waldvögelein schweigen,
so will ich dir dein Gefieder aufpreisen
mit Gold und brauner Seiden.“
ich kann mich selber wol schwingen;
ich bin ein kleins Waldvögelein,
kein Mann soll mich nit zwingen.‘‘‘
so schwing dich von der Erden,
daß dich der kühle Thau nit netz,
kein Schnee, kein Reif darneben!“
so trücknet mich Frau Sonne;
hab ich ein brauns Maidlein im Herzen hold,
zu ihr kann ich nit kommen.
darin müßt er ersauren:
so wenn ein jungs Maidlein ein alten Mann nimmt,
ihr junges Herz muß trauren.
so trauren all die Aeste.
So bitt ich dich, zarts Jungfräulein,
halt du dein Kränzlein feste!‘‘‘
will es mir doch nimmer bleiben,
viel lieber wollt ich mit eim jungen Knaben
mein Zeit und Weil vertreiben.“
so findt man ein Würmlein drinnen:
so welche Jungfräulein säuberlich sind,
die können viel falscher sinnen.
vor allen falschen Zungen!
Hab ich ein brauns Maidlein im Herzen hold,
zu ihr kann ich nit kummen.
so frei haben gesungen?
Das haben gethan zween Schreiber gut,
ein alter und ein junger.
4. Aufpreisen, aufbreisen, aufschnüren, putzen. – 11. Säuberlich, sauber, schön. – Beim Singen wurden in jeder Str. die beiden Schlußsilben der 3. Zeile wiederholt; z. B. in Str. 1: entflogn in Str. 2: ja ein, in Str. 3: ja lein u. s. w.
Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin 1856, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_202.jpg&oldid=- (Version vom 27.10.2019)