Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort | |
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Sehr mäßig. | Mündlich, aus Schlesien. (Liegnitz, Hainau etc.) |
ja Schwestern
zu Hirschberg in der Stadt, :|:
die eine gieng rum betteln, :|:
die andre war so reich. :|:
ja sprechen:
Du darfst nicht betteln gehn;
du hast ein reiche Schwester,
die kann dir wohl beistehn.
ja wandt sich um
und gieng wol ihren Gang
zu ihrer reichen Schwester,
die sie in Freuden fand.
ja Schwester,
ich bitt dich um ein Brot
für meine sechs kleinen Kinder,
die leiden Hungersnoth!“
ja Schwester,
ach nein, das thu ich nicht;
ein Brot soll ich anschneiden,
sechs Stücklein davon schneiden:
ach nein, das thu ich nicht!‘‘‘ –
ja wandt sich um
und gieng wol ihren Gang
zu ihrn sechs kleinen Kindern,
die sie im Schlafe fand.
ja Kirche kam,
wollt er aufschneidn das Brot:
das Brot war wie die Steine,
das Messer von Blute so roth.
ja Fraue,
wem hast das Brot versagt?““ –
‚‚‚Ach, meiner armen Schwester,
die mich so kläglich bat!‘‘‘ –
ja wandt sich um
und gieng wol ihren Gang
zu ihrer armen Schwester,
die sie in Trauern fand.
ja Schwester,
hier bring ich dir ein Brot
für deine sechs kleinen Kinder,
daß sie nicht leiden Noth.‘‘‘
Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin 1856, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_077.jpg&oldid=- (Version vom 25.10.2019)