Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort | |
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die Tochter nahm ein Sprung;
sie sprang wol in die Straße,
wo Herrn und Schreiber saßen:
dem Schreiber sprang sie zu.
mir thut mein Herz so weh;
laß mich eine kleine Weile
nur schlafen an deiner Seite,
bis daß es mir vergeht!‘‘‘
das kann fürwahr nicht sein;
wenn du dich lassest täufen,
Susanna sollst du heißen,
mein eigen sollst du sein!““
das kann fürwahr nicht sein;
eh ich mich lasse täufen,
viel lieber will ich mich ersäufen
im allertiefsten Rhein!
schreib meiner Mutter ein Brief!
schreib an mein Vater und Mutter,
und an mein stolzen Bruder:
zu ihn komm ich nimmermehr!‘‘‘
ein wunderschönes Weib,
die hatt eine schöne Tochter,
ihr Haar war fein geflochten,
zum Tanz war sie bereit.
das kann fürwahr nicht sein;
es wär ja eine Schande
im ganzen jüdschen Lande,
wenn du zum Tanz wolltst gehn!“ –
die Tochter nahm ein Sprung;
sie sprang wol in die Straße,
wo Herrn und Schreiber saßen:
dem Schreiber sprang sie zu.
mir thut mein Herz so weh!
laß mich eine kleine Weile
in deinem Schooß verbleiben,
bis daß es mir vergeht!‘‘‘
das kann fürwahr nicht sein;
wenn du dich lässest täufen,
Susanna sollst du heißen,
mein Weibchen sollst du sein!““
schreib meiner Mutter ein Brief;
schreib mich und dich zusammen,
zusammen in Gottes Namen,
daß ich eine Christin bin!‘‘‘
2. Ach Tochter, liebste Tochter, was sagen alle Leut? du thätst den Schreiber lieben: das thät mein Herz betrüben, wenn du gäbst (würdst) Schreibers Weib!
Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin 1856, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_072.jpg&oldid=- (Version vom 25.10.2019)