Der entgegenstehende Fels schien noch entfernter und
kaum Raum zu haben für einen Vorderfuß des Rosses.
Von neuem hörte sie Bodos Roß schnauben, in der
Angst rief sie die Geister ihrer Väter zu Hülfe und
ohne Besinnung drückte sie ihrem Zelter die ellenlangen
Spornen in die Seite. Und das Roß sprang über
den Abgrund, glücklich auf die spitze Klippe und schlug
seinen Huf vier Fuß tief in das harte Gestein, daß die
Funken stoben. Das ist jener Roßtrapp. Die Zeit hat
die Vertiefung kleiner gemacht, aber kein Regen kann
sie ganz verwischen. Emma war gerettet, aber die
centnerschwere goldne Königskrone fiel während des
Sprungs von ihrem Haupt in die Tiefe. Bodo, in
blinder Hitze nachsetzend, stürzte in den Strudel und
gab dem Fluß den Namen. (Die Bode ergießt sich mit
der Emme und Saale in die Elbe.) Hier als schwarzer
Hund bewacht er die goldne Krone der Riesentochter,
daß kein Gelddurstiger sie heraushohle. Ein Taucher
wagte es einst unter großen Versprechungen. Er
stieg in die Tiefe, fand die Krone und hob sie in die
Höhe, daß das zahllos versammelte Volk schon die
Spitzen golden schimmern sah. Aber zu schwer, entsank
sie zweimal seinen Händen. Das Volk rief ihm
zu, das drittemal hinabzusteigen. Er thats und ein
Blutstrahl sprang hoch in die Höhe. Der Taucher
kam nimmer wieder auf. Jetzo deckt tiefe Nacht und
Stille den Ungrund, kein Vogel fliegt darüber. Nur
um Mitternacht hört man oft in der Ferne das dumpfe
Hundegeheul des Heiden. Der Strudel heißt: der
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 414. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_450.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)