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Seite:Der Stechlin (Fontane) 315.jpg

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Ihnen morgen eine Radierung nach einem Bilde des richtigen englischen Millais zu schicken. Dragonerkaserne, Hallesches Thor, – ich weiß. Übermorgen lass’ ich die Mappe wieder abholen. Name des Bildes: ‚Sir Isumbras‘. Merkwürdige Schöpfung. Schade, daß er, der Vater des Präraffaelitentums, dabei nicht aushielt. Aber nicht zu verwundern. Nichts hält jetzt aus, und mit nächstem werden wir die Berühmtheiten nach Tagen zählen. Tizian entzückte noch mit hundert Jahren; wer jetzt fünf Jahre gemalt hat, ist altes Eisen. Gnädigste Gräfin, Comtesse Armgard… Darf ich bitten, mich meinem Gönner, Ihrem Herrn Vater, dem Grafen, angelegentlichst empfehlen zu wollen.“

* * *

     Woldemar, die Honneurs des Hauses machend, was er bei seiner intimen Stellung durfte, hatte den Professor bis auf den Korridor geleitet und ihm hier den Künstlermantel umgegeben, den er, in unverändertem Schnitt, seit seinen Romtagen trug. Es war ein Radmantel. Dazu ein Kalabreser von Seidenfilz.

     „Er ist doch auf seine Weise nicht übel,“ sagte Woldemar, als er bei den Damen wieder eintrat. „An einem starken Selbstbewußtsein, dran er wohl leidet, darf man heutzutage nicht Anstoß nehmen, vorausgesetzt, daß die Thatsachen es einigermaßen rechtfertigen.“

     „Ein starkes Selbstbewußtsein ist nie gerechtfertigt,“ sagte Armgard, „Bismarck vielleicht ausgenommen. Das heißt also in jedem Jahrhundert einer.“

     „Wonach Cujacius günstigstenfalls der zweite wäre,“ lachte Woldemar. „Wie steht es eigentlich mit ihm? Ich habe nie von ihm gehört, was aber nicht viel besagen will, namentlich nachdem ich Millais und Millet glücklich verwechselt habe. Nun geht alles so in einem hin. Ist er ein Mann, den ich eigentlich kennen müßte?“

Empfohlene Zitierweise:
Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin: F. Fontane, 1899, Seite 315. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_315.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)