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Seite:De Zeumer V2 547.jpg

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obwalten, oder wo einzelnen Bundesgliedern eine besondere, nicht in den gemeinsamen Verpflichtungen aller begriffene Leistung oder Verwilligung für den Bund zugemuthet werden sollte, kann ohne freie Zustimmung sämmtlicher Betheiligten kein dieselben verbindender Beschluß gefaßt werden.

Art. XVI. Wenn die Besitzungen eines souverainen deutschen Hauses durch Erbfolge auf ein anderes übergehen, so hängt es von der Gesammtheit des Bundes ab, ob und in wie fern die auf jenen Besitzungen haftenden Stimmen im Plenum, da im engern Rathe kein Bundes-Glied mehr als eine Stimme führen kann, dem neuen Besitzer beigelegt werden sollen.

Art. XVII. Die Bundesversammlung ist berufen, zur Aufrechthaltung des wahren Sinnes der Bundes-Acte, die darin enthaltenen Bestimmungen, wenn über deren Auslegung Zweifel entstehen sollten, dem Bundeszweck gemäß zu erklären, und in allen vorkommenden Fällen den Vorschriften dieser Urkunde ihre richtige Anwendung zu sichern.

Art. XVIII. Da Eintracht und Friede unter den Bundes-Gliedern ungestört aufrecht erhalten werden soll, so hat die Bundes-Versammlung, wenn die innere Ruhe und Sicherheit des Bundes auf irgend eine Weise bedroht oder gestört ist, über Erhaltung oder Wiederherstellung derselben Rath zu pflegen, und die dazu geeigneten Beschlüsse nach Anleitung der in den folgenden Artikeln enthaltenen Bestimmungen zu fassen.

Art. XIX. Wenn zwischen Bundes-Gliedern Tätlichkeiten zu besorgen, oder wirklich ausgeübt worden sind, so ist die Bundes-Versammlung berufen, vorläufige Maßregeln zu ergreifen, wodurch jeder Selbsthülfe vorgebeugt, und der bereits unternommenen Einhalt gethan werde. Zu dem Ende hat sie vor allem für Aufrechthaltung des Besitzstandes Sorge zu tragen.

Art. XX. Wenn die Bundes-Versammlung von einem Bundes-Gliede zum Schutze des Besitzstandes angerufen wird, und der jüngste Besitzstand streitig ist, so soll sie für diesen besondern Fall befugt seyn, ein bey der Sache nicht betheiligtes Bundes-Glied in der Nähe des zu schützenden Gebietes aufzufordern, die Thatsache des jüngsten Besitzes, und die angezeigte Störung desselben ohne Zeitverlust durch seinen obersten Gerichtshof summarisch untersuchen, und darüber einen rechtlichen Bescheid abfassen zu lassen, dessen Vollziehung die Bundes-Versammlung, wenn der Bundesstaat, gegen welchen er gerichtet ist, sich nicht auf vorgängige Aufforderung freiwillig dazu versteht, durch die ihr zu diesem Ende angewiesenen Mittel zu bewirken hat.

Art. XXI. Die Bundes-Versammlung hat in allen, nach Vorschrift der Bundes-Acte bey ihr anzubringenden Streitigkeiten der Bundes-Glieder die Vermittlung durch einen Ausschuß zu versuchen. Können die entstandenen Streitigkeiten auf diesem Wege nicht beygelegt werden, so hat sie die Entscheidung derselben durch eine Austrägal-Instanz zu veranlassen, und dabey, so lange nicht wegen der Austrägal-Gerichte überhaupt eine anderweitige Uebereinkunft zwischen den Bundes-Gliedern Statt gefunden hat, die in dem Bundes-Tags-Beschlusse vom sechszehnten Juny achtzehn-hundert und siebenzehn enthaltnen Vorschriften, so wie den, in Folge gleichzeitig an die Bundes-Tags-Gesandten ergehender Instructionen, zu fassenden besondern Beschluß zu beobachten.

Art. XXII. Wenn nach Anleitung des obgedachten Bundes-Tags-Beschlusses der oberste Gerichtshof eines Bundes-Staats zur Austrägal-Instanz gewählt ist, so steht demselben die Leitung des Processes und die Entscheidung des Streits in allen seinen Hanpt- und Neben-Punkten uneingeschränkt und ohne alle weitere Einwirkung der Bundes-Versammlung oder der Landesregierung zu. Letztere wird jedoch, auf Antrag der Bundes-Versammlung, oder der streitenden Theile im Fall einer Zögerung von Seiten des Gerichts, die zur Beförderung der Entscheidung nöthigen Verfügungen erlassen.

Art. XXIII. Wo keine besonderen Entscheidungs-Normen vorhanden sind, hat das Austrägal-Gericht nach den in Rechts-Streitigkeiten derselben Art vormals von den Reichs-Gerichten subsidiarisch befolgten Rechtsquellen, in so fern solche auf die jetzigen Verhältnisse der Bundes-Glieder noch anwendbar sind, zu erkennen.

Art. XXIV. Es steht übrigens den Bundes-Gliedern frey, sowohl bey einzelnen vorkommenden Streitigkeiten, als für alle künftige Fälle, wegen besonderer Austräge oder Compromisse übereinzukommen, wie denn auch frühere Familien- oder Vertrags-Austräge durch Errichtung der Bundes-Austrägal-Instanz nicht aufgehoben, noch abgeändert werden.

Art. XXV. Die Aufrechthaltung der innern Ruhe und Ordnung in den Bundesstaaten steht den Regierungen allein zu. Als Ausnahme kann jedoch, in Rücksicht auf die innere Sicherheit des gesammten Bundes, und in Folge der Verpflichtung der Bundes-Glieder zu gegenseitiger Hülfsleistung, die Mitwirkung der Gesammtheit zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Ruhe, im Fall einer Widersetzlichkeit der Unterthanen gegen die Regierung, eines offenen Aufruhrs, oder gefährlicher Bewegungen in mehreren Bundesstaaten, Statt finden.

Art. XXVI. Wenn in einem Bundesstaate durch Widersetzlichkeit der Unterthanen gegen die Obrigkeit die innere Ruhe unmittelbar gefährdet, und eine Verbreitung aufrührerischer Bewegungen zu fürchten, oder ein wirklicher Aufruhr zum Ausbruch gekommen ist, und die Regierung selbst, nach Erschöpfung der verfassungsmäßigen und gesetzlichen Mittel, den Beistand des Bundes anruft, so liegt der Bundes-Versammlung ob, die schleunigste Hülfe zur Wiederherstellung der Ordnung zu veranlassen. Sollte im letztgedachten Falle die Regierung notorisch

Empfohlene Zitierweise:
Karl Zeumer: Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit.Tübingen: Verlag von J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1913, Seite 547. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zeumer_V2_547.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2019)