Zum Inhalt springen

Seite:De Zerstreute Blätter II (Herder) 370.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

bei den Griechen und Römern es kein größeres Unglück, keine empfindlichere Strafe gab, als unbegraben zu seyn oder in der Erde keine Ruhe zu haben. Hier wanderten heilige Knochen in der Welt umher und wurden sehr kostbar. – Endlich konnten auch das Kreuz des Erhöheten selbst unschuldiger Weise Anlaß geben, Bilder der Skelete ins Heiligthum einzuführen. Auf der Schädelstäte stand es und dies hies nach der gemeinen Deutung auf einem mit Schädeln überdeckten Ort. Den Tod hatte dies Kreuz besieget und so kamen auch in der Abbildung ein Todtenhaupt und einige Gebeine an den Fuß des Kreuzes; ja bei das Grab des Auferstandnen wohl gar ein knirschendes Todtengerippe. Endlich häufte man Tropen mit Tropen: der Ueberwinder habe mit dem Tode gerungen, ihn bezwungen, ihn verschlungen und wenn diesen mißverstandnen Ausdrücken die Kunst nachging, wohin mußte sie kommen! wie elend mußte sie werden!

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Zweite Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1786, Seite 370. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_II_(Herder)_370.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)