durch Drücken einen neuen Weg eröffnet hat, darf man erwarten, dass der Kranke ihn ein Stück weit ohne neuen Widerstand fortsetzen wird.
Hat man eine Weile auf solche Weise gearbeitet, so regt sich gewöhnlich eine mitarbeitende Thätigkeit im Kranken. Es fallen ihm jetzt eine Fülle von Reminiscenzen ein, ohne dass man ihm Fragen und Aufgaben zu stellen braucht; man hat sich eben den Weg in eine innere Schichte gebahnt, innerhalb welcher der Kranke jetzt über das Material von gleichem Widerstande spontan verfügt. Man thut gut daran, ihn eine Weile unbeeinflusst reproduciren zu lassen; er ist selber zwar nicht im Stande, wichtige Zusammenhänge aufzudecken, aber das Abtragen innerhalb derselben Schichte darf man ihm überlassen. Die Dinge, die er so beibringt, scheinen oft zusammenhanglos, geben aber das Material ab, das durch späterhin erkannten Zusammenhang belebt wird.
Man hat sich hier im Allgemeinen vor zweierlei zu bewahren. Wenn man den Kranken in der Reproduction der ihm zuströmenden Einfälle hemmt, so kann man sich manches „verschütten“, was späterhin mit grosser Mühe doch freigemacht werden muss. Andererseits darf man seine „unbewusste Intelligenz“ nicht überschätzen und ihr nicht die Leitung der ganzen Arbeit überlassen. Wollte ich den Arbeitsmodus schematisiren, so könnte ich etwa sagen, man übernimmt selbst die Eröffnung innerer Schichten, das Vordringen in radialer Richtung, während der Kranke die peripherische Erweiterung besorgt.
Das Vordringen geschieht ja dadurch, dass man in der vorhin angedeuteten Weise Widerstand überwindet. In der Regel aber hat man vorher noch eine andere Aufgabe zu lösen. Man muss ein Stück des logischen Fadens in die Hand bekommen, unter dessen Leitung man allein in das Innere einzudringen hoffen darf. Man erwarte nicht, dass die freien Mittheilungen des Kranken, das Material der am meisten oberflächlichen Schichten, es dem Analytiker leicht machen zu erkennen, an welchen Stellen es in die Tiefe geht, an welche Punkte die gesuchten Gedankenzusammenhänge anknüpfen. Im Gegentheil; gerade diess ist sorgfältig verhüllt, die Darstellung des Kranken klingt wie vollständig und in sich gefestigt. Man steht zuerst vor ihr wie vor einer Mauer, die jede Aussicht versperrt und die nicht ahnen lässt, ob etwas und was denn doch dahinter steckt.
Wenn man aber die Darstellung, die man vom Kranken ohne viel Mühe und Widerstand erhalten hat, mit kritischem Auge mustert,
Sigmund Freud, Josef Breuer: Studien über Hysterie. Franz Deuticke, Leipzig und Wien 1895, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Studien_%C3%BCber_Hysterie_257.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)