Es ist also die Arbeit auch mit Hilfe der Druckprocedur keine mühelose. Man hat nur den einen Vortheil gewonnen, dass man aus den Ergebnissen dieses Verfahrens gelernt hat, nach welcher Richtung man zu forschen, und welche Dinge man dem Kranken aufzudrängen hat. Für manche Fälle reicht diess aus; es handelt sich ja wesentlich darum, dass ich das Geheimniss errathe und es dem Kranken in’s Gesicht zusage; er muss dann meist seine Ablehnung aufgeben. In anderen Fällen brauche ich mehr; der überdauernde Widerstand des Kranken zeigt sich darin, dass die Zusammenhänge reissen, die Lösungen ausbleiben, die erinnerten Bilder undeutlich und unvollständig kommen. Man erstaunt oft, wenn man aus einer späteren Periode einer Analyse auf die frühern zurückblickt, wie verstümmelt alle die Einfalle und Scenen waren, die man dem Kranken durch die Procedur des Drückens entrissen hat. Es fehlte gerade das Wesentliche daran, die Beziehung auf die Person oder auf das Thema, und das Bild blieb darum unverständlich. Ich will ein oder zwei Beispiele für das Wirken einer solchen Censurirung beim ersten Auftauchen der pathogenen Erinnerungen geben. Der Kranke sieht z. B. einen weiblichen Oberkörper, an dessen Hülle wie durch Nachlässigkeit etwas klafft; erst viel später fügt er zu diesem Torso den Kopf, um damit eine Person und eine Beziehung zu verrathen. Oder er erzählt eine Reminiscenz aus seiner Kindheit von zwei Buben, deren Gestalt ihm ganz dunkel ist, denen man eine gewisse Unart nachgesagt hätte. Es bedarf vieler Monate und grosser Fortschritte im Gange der Analyse, bis er diese Reminiscenz wiedersieht und in dem einen der Kinder sich selbst, im anderen seinen Bruder erkennt. Welche Mittel hat man nun zur Verfügung, um diesen fortgesetzten Widerstand zu überwinden?
Wenige, aber doch fast alle die, durch die sonst ein Mensch eine psychische Einwirkung auf einen anderen übt. Man muss sich zunächst sagen, dass psychischer Widerstand, besonders ein seit langem constituirter, nur langsam und schrittweise aufgelöst werden kann, und muss in Geduld warten. Sodann darf man auf das intellectuelle Interesse rechnen, das sich nach kurzer Arbeit beim Kranken zu regen beginnt. Indem man ihn aufklärt, ihm von der wundersamen Welt der psychischen Vorgänge Mittheilungen macht, in die man selbst erst durch solche Analysen Einblick gewonnen hat, gewinnt man ihn selbst zum Mitarbeiter, bringt man ihn dazu, sich selbst mit dem objectiven Interesse des Forschers zu betrachten, und drängt so den auf affectiver Basis beruhenden Widerstand zurück. Endlich aber, – und diess bleibt der
Sigmund Freud, Josef Breuer: Studien über Hysterie. Franz Deuticke, Leipzig und Wien 1895, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Studien_%C3%BCber_Hysterie_247.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)