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Seite:De Studien über Hysterie 164.jpg

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u. dgl. Dies wäre nun nicht hysterisch. So wäre ein, sicherlich völlig einheitliches Phänomen einmal der Hysterie zugehörig und ein andermal nicht. Man kann ja zweifeln, ob man dieses, den Erethismus der Vasomotoren, überhaupt zu den specifisch hysterischen Erscheinungen rechnen soll, oder ob man es nicht besser dem einfachen „Nervosismus“ zuzählt. Aber nach Möbius müsste jene Zerfällung eines einheitlichen Vorgangs jedenfalls geschehen, und das affectiv bedingte Erythem allein hysterisch genannt werden.

Ganz ebenso verhält es sich bei den praktisch so wichtigen hysterischen Algien. Gewiss sind diese häufig direct durch Vorstellungen bedingt; es sind „Schmerzhallucinationen“. Untersuchen wir diese etwas genauer, so zeigt sich, dass zu ihrem Entstehen grosse Lebhaftigkeit der Vorstellung nicht genügt, sondern dass ein besonderer abnormer Zustand der schmerzleitenden und empfindenden Apparate nothwendig ist, wie zum Entstehen des affectiven Erythems die abnorme Erregbarkeit der Vasomotoren. Das Wort „Schmerzhallucination“ bezeichnet gewiss das Wesen dieser Neuralgie auf's prägnanteste, zwingt uns aber auch, die Anschauungen auf sie zu übertragen, die wir uns bezüglich der Hallucination im Allgemeinen gebildet haben. Diese eingehend zu discutiren, ist hier nicht am Platze. Ich bekenne mich zu der Meinung, die „Vorstellung“, das Erinnerungsbild, allein, ohne Erregung des Perceptionsapparates, erlange selbst in seiner grössten Lebhaftigkeit und Intensität nie den Charakter objectiver Existenz, der die Hallucination ausmacht.[1]

Das gilt schon von den Sinneshallucinationen und noch mehr von den Schmerzhallucinationen. Denn es scheint dem Gesunden nicht möglich zu sein, der Erinnerung an einen körperlichen Schmerz auch


  1. Dieser Perceptionsapparat, einschliesslich der corticalen Sinnessphären, muss verschieden sein von dem Organ, welches Sinneseindrücke als Erinnerungsbilder aufbewahrt und reproducirt. Denn die Grundbedingung der Function des Wahrnehmungsapparates ist die rascheste restitutio in statum quo ante; sonst könnte keine richtige weitere Perception stattfinden. Die Bedingung des Gedächtnisses hingegen ist, dass eine solche Restitution nicht statt hat, sondern dass jede Wahrnehmung bleibende Veränderungen schafft. Unmöglich kann ein und dasselbe Organ beiden widersprechenden Bedingungen genügen; der Spiegel eines Refiexions-Teleskops kann nicht zugleich photographische Platte sein. In diesem Sinne, dass die Erregung des Perceptionsapparates – nicht in der bestimmten Aussage, dass die Erregung der subcorticalen Centren – der Hallucination den Charakter des Objectiven gebe, stimme ich Meynert bei. Soll aber durch das Erinnerungsbild das Perceptionsorgan erregt werden, so müssen wir eine gegen die Norm abgeänderte Erregbarkeit desselben annehmen, die eben die Hallucination möglich macht.
Empfohlene Zitierweise:
Sigmund Freud, Josef Breuer: Studien über Hysterie. Franz Deuticke, Leipzig und Wien 1895, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Studien_%C3%BCber_Hysterie_164.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)