so vor, als wäre ich von der Verlässlichkeit meiner Technik vollkommen überzeugt. Ich liess es nicht mehr gelten, wenn sie behauptete, es sei ihr nichts eingefallen, versicherte ihr, es müsse ihr etwas eingefallen sein, sie sei vielleicht nicht aufmerksam genug, dann wolle ich den Druck gerne wiederholen, oder sie meine, ihr Einfall sei nicht der richtige. Das gehe sie aber gar nichts an, sie sei verpflichtet, vollkommen objectiv zu bleiben und zu sagen, was ihr in den Sinn gekommen sei, es möge passen oder nicht; endlich, ich wisse genau, es sei ihr etwas eingefallen, sie verheimliche es mir, sie werde aber nie ihre Schmerzen los werden, so lange sie etwas verheimliche. Durch solches Drängen erreichte ich, dass wirklich kein Druck mehr erfolglos blieb. Ich musste annehmen, dass ich den Sachverhalt richtig erkannt hatte, und gewann bei dieser Analyse ein in der That unbedingtes Zutrauen zu meiner Technik. Es kam oft vor, dass sie mir erst nach dem dritten Drücken eine Mittheilung machte, dann aber selbst hinzufügte: Ich hätte es Ihnen gleich das erste Mal sagen können. – Ja, warum haben Sie es nicht gleich gesagt? – Ich habe gemeint, es ist nicht das Richtige, oder: ich habe gemeint, ich kann es umgehen; es ist aber jedesmal wiedergekommen. Ich fieng während dieser schweren Arbeit an, dem Widerstand, den die Kranke bei der Reproduction ihrer Erinnerungen zeigte, eine tiefere Bedeutung beizulegen und die Anlässe sorgfältig zusammenzustellen, bei denen er sich besonders auffällig verrieth.
Ich komme nun zur Darstellung der dritten Periode unserer Behandlung. Der Kranken gieng es besser, sie war psychisch entlastet und leistungsfähig geworden, aber die Schmerzen waren offenbar nicht behoben, sie kamen von Zeit zu Zeit immer wieder, und zwar in alter Heftigkeit. Dem unvollkommenen Heilerfolg entsprach die unvollständige Analyse, ich wusste noch immer nicht genau, in welchem Moment und durch welchen Mechanismus die Schmerzen entstanden waren. Während der Reproduction der mannigfaltigsten Scenen in der zweiten Periode und der Beobachtung des Widerstandes der Kranken gegen die Erzählung hatte sich bei mir ein bestimmter Verdacht gebildet; ich wagte aber noch nicht, ihn zur Grundlage meines Handelns zu machen. Eine zufällige Wahrnehmung gab da den Ausschlag. Ich hörte einmal während der Arbeit mit der Kranken Männerschritte im Nebenzimmer, eine angenehm klingende Stimme, die eine Frage zu stellen schien, und meine Patientin erhob sich darauf mit der Bitte, für heute abzubrechen, sie höre, dass ihr Schwager gekommen sei und
Sigmund Freud, Josef Breuer: Studien über Hysterie. Franz Deuticke, Leipzig und Wien 1895, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Studien_%C3%BCber_Hysterie_134.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)