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Seite:De Studien über Hysterie 111.jpg

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„Ja, geekelt werd’ ich mich schon haben,“ sagt sie nachdenklich. „Aber wovor denn?“

„Sie haben vielleicht etwas Nacktes gesehen? Wie waren denn die beiden Personen im Zimmer?“

„Es war zu finster, um was zu sehen, und die waren ja beide angezogen (in Kleidern). Ja, wenn ich nur wüsst’, wovor ich mich damals geekelt hab’.“

Das wusste ich nun auch nicht. Aber ich forderte sie auf, weiter zu erzählen, was ihr einfiele, in der sicheren Erwartung, es werde ihr gerade das einfallen, was ich zur Aufklärung des Falles brauchte.

Sie berichtet nun, dass sie endlich der Tante, die sie verändert fand und dahinter ein Geheimniss vermuthete, ihre Entdeckung mittheilte, dass es darauf sehr verdriessliche Scenen zwischen Onkel und Tante gab, die Kinder Dinge zu hören bekamen, die ihnen über manches die Augen öffneten, und die sie besser nicht hätten hören sollen, bis die Tante sich entschloss, mit ihren Kindern und der Nichte die andere Wirthschaft hier zu übernehmen und den Onkel mit der unterdess gravid gewordenen Francisca allein zu lassen. Dann aber lässt sie zu meinem Erstaunen diesen Faden fallen und beginnt zwei Reihen von älteren Geschichten zu erzählen, die um 2–3 Jahre hinter dem traumatischen Moment zurückreichen. Die erste Reihe enthält Anlässe, bei denen derselbe Onkel ihr selbst sexuell nachgestellt, als sie erst 14 Jahre alt war. Wie sie einmal mit ihm im Winter eine Partie in’s Thal gemacht und dort im Wirtshaus übernachtet. Er blieb trinkend und kartenspielend in der Stube sitzen, sie wurde schläfrig und begab sich frühzeitig in das für Beide bestimmte Zimmer im Stock. Sie schlief nicht fest, als er hinaufkam, dann schlief sie wieder ein und plötzlich erwachte sie und „spürte seinen Körper“ im Bett. Sie sprang auf, machte ihm Vorwürfe. „Was treiben’s denn, Onkel? Warum bleiben’s nicht in Ihrem Bett?“ Er versuchte sie zu beschwatzen; „Geh, dumme Gredel, sei still, du weisst ja nicht, wie gut das is.“ – „Ich mag Ihr Gutes nicht, nit einmal schlafen lassen’s einen“. Sie bleibt bei der Thür stehen, bereit, auf den Gang hinaus zu flüchten, bis er ablässt und selbst einschläft. Dann legt sie sich in ihr Bett und schläft bis zum Morgen. Aus der Art der Abwehr, die sie berichtet, scheint sich zu ergeben, dass sie den Angriff nicht klar als einen sexuellen erkannte; darnach gefragt, ob sie denn gewusst, was er mit ihr vorgehabt, antwortete sie: Damals nicht, es sei ihr viel später klar

Empfohlene Zitierweise:
Sigmund Freud, Josef Breuer: Studien über Hysterie. Franz Deuticke, Leipzig und Wien 1895, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Studien_%C3%BCber_Hysterie_111.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)