besinnen und jedesmal, wenn sie ihn aussprechen wollte, sich zwischen ... berg, ... thal, ... wald u. dgl. irren werde. Es traf so zu, und bald war die Unsicherheit bei diesem Namen die einzige Sprachhemmung, die an ihr zu beobachten war, bis ich sie auf eine Bemerkung von Dr. Breuer von diesem Zwang zur Paramnesie befreite.
Länger als mit den Resten dieser Erlebnisse hatte ich mit den Zuständen zu kämpfen, die sie „Sturm im Kopfe“ benannte. Als ich sie zum ersten Male in solch einem Zustand sah, lag sie mit verzerrten Zügen auf dem Divan in unaufhörlicher Unruhe des ganzen Körpers, die Hände immer wieder gegen die Stirne gepresst, und rief dabei wie sehnsüchtig und rathlos den Namen „Emmy“, der ihr eigener wie der ihrer älteren Tochter war. In der Hypnose gab sie die Auskünfte, der Zustand sei die Wiederholung so vieler Anfälle von Verzweiflung, die sie während der Cur ihrer Tochter zu ergreifen pflegten, nachdem sie Stunden lange darüber nachgedacht, wie man den schlechten Erfolg der Behandlung corrigiren könne, ohne einen Ausweg zu finden. Als sie dann fühlte, dass sich ihre Gedanken verwirrten, gewöhnte sie sich daran, den Namen der Tochter laut zu rufen, um sich an ihm wieder zur Klarheit heraus zu arbeiten. Denn zu jener Zeit, als der Zustand der Tochter ihr neue Pflichten auferlegte und sie fühlte, dass die Nervosität wieder Macht über sie gewinne, habe sie bei sich festgesetzt, dass alles, was dieses Kind beträfe, der Verwirrung entzogen bleiben müsse, sollte auch alles andere in ihrem Kopfe drunter und drüber gehen.
Nach einigen Wochen waren auch diese Reminiscenzen überwunden, und Frau Emmy verblieb in vollkommenem Wohlbefinden noch einige Zeit in meiner Beobachtung. Grade gegen Ende ihres Aufenthaltes fiel etwas vor, was ich ausführlich erzählen will, weil diese Episode das hellste Licht auf den Charakter der Kranken und auf die Entstehungsweise ihrer Zustände wirft.
Ich besuchte sie einmal zur Zeit ihres Mittagsessens und überraschte sie dabei, wie sie etwas in Papier gehüllt in den Garten warf, wo es die Kinder des Hausdieners auffiengen. Auf mein Befragen bekannte sie, es sei ihre (trockene) Mehlspeise, die alle Tage denselben Weg zu gehen pflege. Diess gab mir Anlass, mich nach den Resten der anderen Gänge umzusehen, und ich fand auf den Tellern mehr übriggelassen, als sie verzehrt haben konnte. Zur Rede gestellt, warum sie so wenig esse, antwortete sie, sie sei nicht gewöhnt, mehr zu essen, auch würde es ihr schaden; sie habe dieselbe Natur wie
Sigmund Freud, Josef Breuer: Studien über Hysterie. Franz Deuticke, Leipzig und Wien 1895, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Studien_%C3%BCber_Hysterie_067.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)