Ich fiel an meines Kindes Leiche nieder und sprach ein brünstiglich Gebet. Dann rüstete ich Alles, wie es zu der Arbeit nöthig war; und dann malte ich; - rasch, wie man die Todten malen muß, die nicht zum zweiten Mal dasselbig’ Antlitz zeigen. Mitunter wurd’ ich wie von der andauernden großen Stille ausgeschrecket; doch wenn ich inne hielt und horchte, so wußte ich bald, es sei nichts dagewesen. Einmal auch war es, als drängen leise Odemzüge an mein Ohr. - Ich trat an das Bette des Todten, aber da ich mich zu dem bleichen Mündlein niederbeugete, berührte nur die Todeskälte meine Wangen.
Ich sahe um mich; es war noch eine Thür im Zimmer; sie mochte zu einer Schlafkammer führen, vielleicht daß es von dort gekommen war! Allein so scharf ich lauschte, ich vernahm nichts wieder; meine eigenen Sinne hatten wol ein Spiel mit mir getrieben.
So setzete ich mich denn wieder, sahe auf den kleinen Leichnam und malete weiter; und da ich die leeren Händchen ansahe, wie sie auf dem
Theodor Storm: Aquis Submersus. Berlin: Paetel, 1877, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Aquis_submersus_151.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)