Da, an der Stelle, wo der Fußsteig in die Straße mündet - in stürmender Freude stund das Herz mir still - plötzlich aus dem Tannendunkel war sie selber da; mit glühenden Wangen kam sie hergelaufen, sie sprang über den trocknen Weggraben, daß die Fluth des seidenbraunen Haars dem güldnen Netz entstürzete; und so fing ich sie in meinen Armen auf. Mit glänzenden Augen, noch mit dem Odem ringend, schaute sie mich an. „Ich - ich bin ihnen fortgelaufen!“ stammelte sie endlich; und dann, ein Päckchen in meine Hand drückend, fügte sie leis hinzu. „Von mir, Johannes! Und du sollst es nicht verachten!“ Auf einmal aber wurde ihr Gesichtchen trübe; der kleine schwellende Mund wollte noch was reden, aber da brach ein Thränenquell aus ihren Augen, und wehmüthig ihr Köpfchen schüttelnd, riß sie sich hastig los. Ich sah ihr Kleid im finstern Tannensteig verschwinden; dann in der Ferne hört’ ich noch die Zweige rauschen, und dann stand ich allein. Es war so still, die Blätter konnte man fallen hören. Als
Theodor Storm: Aquis Submersus. Berlin: Paetel, 1877, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Aquis_submersus_030.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)