Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. | |
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es unser Gemüth und wird pathetisch erhaben.
Es ist nicht schlechterdings nöthig, daß man die Seelenstärke wirklich in sich fühle, bey ernstlich eintretender Gefahr seine moralische Freyheit zu behaupten. Nicht von dem was geschieht, sondern von dem was geschehen soll und kann, ist hier die Rede; von unsrer Bestimmung nicht von unserm wirklichen Thun, von der Kraft, nicht von Anwendung derselben. Indem wir ein schwerbeladnes Frachtschiff im Sturm untergehen sehen, so können wir uns an der Stelle des Kaufmanns, dessen ganzer Reichthum hier von dem Wasser verschlungen wird, recht sehr unglücklich fühlen. Aber zugleich fühlen wir doch auch, daß dieser Verlust nur zufällige Dinge betrifft und daß es Pflicht ist, sich darüber zu erheben. Es kann aber nichts Pflicht seyn, was unerfüllbar ist, und was geschehen soll, muß nothwendig geschehen können. Daß wir uns aber über einen Verlust hinwegsetzen können, der uns als Sinnenwesen mit Recht so empfindlich ist, beweißt ein Vermögen in uns, welches nach ganz andern Gesetzen handelt, als das sinnliche, und mit dem Naturtrieb nichts gemein hat. Erhaben aber ist alles, was dieses Vermögen in uns zum Bewußtseyn bringt.
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 364. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_364.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)