Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. | |
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der Diana zu opfern, hat schwerlich einen andern Ursprung als die Furcht: denn so verwildert ist nur der schiefgebildete nicht der ungebildete Mensch, daß er gegen dasjenige wüthete, was ihm nicht schaden kann.
Diese Furcht vor allem, was ausserordentlich ist, verliert sich nun zwar im Zustand der Kultur, aber nicht so ganz, daß in der aesthetischen Betrachtung der Natur, wo sich der Mensch dem Spiel der Phantasie freywillig hingiebt, nicht eine Spur davon übrig bleiben sollte. Das wissen die Dichter sehr gut, und unterlassen daher nicht, das ausserordentliche wenigstens als ein Ingrediens des Furchtbaren zu gebrauchen. Eine tiefe Stille, eine große Leere, eine plötzliche Erhellung der Dunkelheit sind an sich sehr gleichgültige Dinge, die sich durch nichts als das Ausserordentliche und Ungewöhnliche auszeichnen. Dennoch erregen sie ein Gefühl des Schreckens, oder verstärken wenigstens den Eindruck desselben, und sind daher tauglich zum Erhabenen.
Wenn uns Virgil mit Grausen über das Höllenreich erfüllen will, so macht er uns vorzüglich auf die Leerheit und Stille desselben aufmerksam. Er nennt es loca nocte late tacentia
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 354. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_354.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)