Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. | |
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trotzen: kurz alle diejenigen Fälle, wo der Mensch durch seinen erfinderischen Verstand die Natur auch da, wo sie ihm als Macht überlegen und zu seinem Untergange bewaffnet ist, gezwungen hat, ihm zu gehorchen und seinen Zwecken zu dienen – alle diese Fälle, sage ich, erwecken kein Gefühl des Erhabenen, ob sie gleich etwas analoges damit haben und deßwegen auch in der aesthetischen Beurtheilung gefallen. Warum sind sie aber nicht erhaben, da sie doch die Ueberlegenheit des Menschen über die Natur vorstellig machen?
Wir müssen hier zum Begriff des Erhabenen zurückgehen, worinn sich der Grund leicht entdecken lassen wird. Zufolge dieses Begriffs ist nur derjenige Gegenstand erhaben, gegen den wir als Naturwesen erliegen, von dem wir uns aber als Vernunftwesen, als nicht zur Natur gehörige Wesen, absolut unabhängig fühlen. Alle natürliche Mittel also, die der Mensch anwendet, um der Naturmacht zu widerstehen, sind durch diesen Begriff des Erhabenen ausgeschlossen; denn dieser Begriff verlangt schlechterdings, daß wir dem Gegenstande als Naturwesen nicht gewachsen seyn sollen, daß wir uns aber durch das, was in uns nicht Natur ist, (und dieß ist nichts anders als reine Vernunft)
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_331.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)