Von den damals erbauten basilikalen Anlagen Deutschlands sind nur ganz wenige noch erhalten; doch wenn wir deren Aufnahmen zum Vergleiche beiziehen, fäll sofort die ausserordentliche Aehnlichkeit der Breisacher ältesten Bauteile mit den entsprechenden Grundrisspartien der Einhardsbasilika zu Michelstadt (827) auf, bei der in ganz denselben Verhälnissen die oblonge Vierung seitlich von schmäleren rechteckigen Feldern begleitet wird, die ebenfalls mit östlichen Apsiden ausgestattet sind, bei deren Anlage, gleich wie bei der Breisacher Südconche,[1] die Grundrissform eines hochgestelzten Halbkreises benutzt wurde. Ebenso ist das Breitenverhältniss von Mittel- zu Seitenschiff hier wie dort dasselbe, nämlich ungefähr 2:1, was mich veranlasst, auch die südliche Seitenschiffaussenmauer zu Breisach, wenigstens der Anlage nach, mit zu den ältesten Theilenzu rechen.
Von gewisser Wichtigkeit ist ferner festzustellen, dass die Vierung, die heute nicht mehr völlig ein Quadrat darstellt, ursprünglich genau als solches angelegt gewesen ist und erst während des späteren Umbaus zum Rechteck verändert wurde. Denn die Ausdehnung des mittleren Querhausfeldes von Nord nach Süd gleicht genau derjenigen des südlichen Armes an der Südmauer, gemessen von Ost nach Westen, und würde die Westmauer des Querhauses an der Südwestecke im rechten Winkel anstossen, ergäbe sich eine genau quadratische Vierung. Doch wahrscheinlich zur Zeit der Wölbung und Errichtung der Vierungskreuzpfeiler kamen Ungenauigkeiten vor, die nachher Veranlassung waren, sowohl die Westmauer des südlichen Querhausarmes in spitzen Winkel an die Giebelwand anschliessen zu lassen als auch den quadratisch beabsichigten nördlichen Querhausarm, dessen Nordmauer wohl schon genau in der Weite der Vierung errichtet war, gleich dem Mittelfelde zu gestalten, um nicht abermals zu Verschiebungen gezwungen zu werden.
Wie der mittlere Chorbau aussah, ob nur eine Apsis sich anschloss oder ob bereits die kreuzförmige Grundrissgestalt ausgesprochen und ein Vorchor angelegt war, lässt sich nicht mehr bestimmen. Doch erscheint es mir in Rücksicht auf den an der Querhausostwand zwischen den Seitenapsiden mangelnden Raum zum Ansatz der Umfassungsmauern einer mittleren Conche wahrscheinlich, dass bereits damals vielleicht in der Tiefe des heutigen ein Vorchor bestand, der nach Osten apsidal endete.
Wir hätten demnach für das älteste Breisacher Münster folgendes Schema. Eine flachgedeckte, dreischiffige Säulenbasilika, deren Mittelhaus in Breite der Vierung und deren Seitenschiffe in halber Breite des Mittelschiffs angelegt sind, schliesst an ein Querhaus an, das aus der quadratischen Vierung und zwei seitlichen, schmäleren rechteckigen Theilen sich zusammensetzt und im Osten in drei Apsiden, zwei seitlichen kleineren und nach einem Vorchor in einer mittleren, grösseren abschliesst.
Es ist dies eine Anlage, die vorgeschrittener als die der Kirchen zu Strassburg, Hersfeld (bg. 768) und auch Michelstadt erscheint, gleichwohl aber noch nicht die vollständige Ausbildung des sogenannten gebundenen Systems aufweist. Denn während die Michelstädter Basilika (ebenso wie die nach Dehio Bd. I p. 165 wahrscheinlich mit ihr in engem Zusammenhang stehende Kirche S. Kastor zu Koblenz), in der Vierung noch das oblonge Rechtecke zeigt, war man in Breisach hier bereits zum Quadrat übergegangen, in den seitlichen Querhausarmen aber gleich Michelstadt bei dem rechteckigen Grundriss der Felder geblieben.
Es wäre somit in dem ältesten Breisacher Münsterbau ein interessantes Mittelglied der ungemein bedeutungsvollen wesentlich deutschen Ausbildung des basilikalen Grundrisses
Franz Xaver Kraus: Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden. Band 6. Jacob Christian Benjamin Mohr, Tübingen und Leipzig 1904, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kunstdenkm%C3%A4ler_Baden_6_070.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2024)
- ↑ Siehe Konche (Architektur), Anm. WS