keine Aussicht, daß er es während der Predigt tun könnte, er mußte dann bleiben, so lange sie dauerte, im Bureau verlor er so viel Zeit, auf den Italiener zu warten war er längst nicht mehr verpflichtet, er sah auf seine Uhr, es war 11. Aber konnte denn wirklich gepredigt werden? Konnte K. allein die Gemeinde darstellen? Wie, wenn er ein Fremder gewesen wäre, der nur die Kirche besichtigen wollte? Im Grunde war er auch nichts anderes. Es war unsinnig daran zu denken, daß gepredigt werden sollte, jetzt um 11 Uhr, an einem Werktag bei greulichstem Wetter. Der Geistliche – ein Geistlicher war es zweifellos, ein junger Mann mit glattem, dunklem Gesicht – ging offenbar nur hinauf, um die Lampe zu löschen, die irrtümlich angezündet worden war.
Es war aber nicht so, der Geistliche prüfte vielmehr das Licht und schraubte es noch ein wenig auf, dann drehte er sich langsam der Brüstung zu, die er vorn an der kantigen Einfassung mit beiden Händen erfaßte. So stand er eine Zeitlang und blickte, ohne den Kopf zu rühren, umher. K. war ein großes Stück zurückgewichen und lehnte mit den Ellbogen an der vordersten Kirchenbank.
Franz Kafka: Der Prozess. Berlin: Verlag die Schmiede, 1925, Seite 366. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kafka_Proze%C3%9F_366.jpg&oldid=- (Version vom 1.6.2018)