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Seite:De Flüssige Kristalle Lehmann 16.jpg

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sich ansetzenden Moleküle eine Verschiebung oder Hebung erfahren (Kristallisationskraft), wobei also die molekulare Richtkraft mechanische Arbeit leistet (Fig. 12).

     Da trotz der Verschiedenheit der Moleküle zweier polymorpher Modifikationen deren Schmelzen nicht verschieden sind und ebensowenig deren Dämpfe, folgt weiter, daß auch das Schmelzen und das Verdampfen nicht einfach in einer Änderung der Aggregation der Moleküle besteht, wie die alte Theorie der Aggregatzustände annahm, daß sich vielmehr der Aggregatzustand nur deshalb ändert, weil sich die Moleküle und folglich ihre Kräfte ändern. Eis-, Wasser- und Dampfmoleküle beispielsweise sind also nicht identisch und deshalb kann auch von einer Mischung derselben gesprochen werden, was nach der alten Theorie keinen Sinn hatte.

     Auf der Möglichkeit solcher Mischungen beruhen z. B. die Ausdehnungsanomalien des Wassers (nach der neuen Theorie der molekularen [physikalischen] Isomerie), indem sich in der Nähe des Erstarrungspunktes Eismoleküle, in der Nähe des Siedepunktes Dampfmoleküle bilden;[1] der kontinuierliche Übergang von Flüssigkeit in Dampf bei der kritischen Temperatur; der allmähliche Übergang überkühlter Schmelzen in amorphe glas- oder harzartige Körper; die Entstehung akzidenteller Doppelbrechung bei letzteren durch Deformation; die Unfähigkeit der amorphen Körper in Lösungen zu wachsen, sowie der Mangel eines scharfen Schmelzpunktes derselben und überhaupt die Unmöglichkeit dieselben als Phasen zu betrachten oder sie durch fortgesetztes Ausschmieden eines kristallisierten Körpers (z. B. von Ammoniumnitrat) herzustellen (da sie eben stets Gemische mehrerer Molekülarten mit verschiedenartigen Richtkräften sind).

     Bei Abkühlung des Wassers verlangsamt sich also nicht nur, wie die alte Theorie annahm, die thermische Bewegung der Wassermoleküle, diese verbinden sich vielmehr in steigender Menge zu Eismolekülen. Beim Gefrierpunkt erreicht die Konzentration dieser Eislösung den Sättigungspunkt, es tritt, falls Kristallisationskerne vorhanden sind, Auskristallisieren von Eis ein, worauf sich sofort, das chemische Gleichgewicht der verschiedenen Molekülarten wieder herstellt, also neues Eis sich ausscheidet usw., bis alles Wasser in Eis umgewandelt ist.

     Bei Abwesenheit von Kristallisationskernen tritt Übersättigung (Überkühlung) ein; der Prozentgehalt an festen Molekülen nimmt


  1. O. Lehmann, Z. Kristallogr. 1 (1877), 123; Molekularphysik 2 (1889), 188; Z. phys. Chem. 71 (1910), 355; Die neue Welt d. fl. Kristalle 1911, 93.