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Seite:De Flüssige Kristalle Lehmann 13.jpg

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     So lange die Elastizitätsgrenze nicht überschritten wird, ist die die molekulare Richtkraft im Stande, nach Aufhören des Zwanges sofort und vollkommen die ursprüngliche Struktur und Form wiederherzustellen; bei Überschreitung dagegen nur allmählig und nur teilweise, wahrscheinlich weil einzelne Moleküle so sehr aus ihrer Lage gebracht sind, daß die Richtkraft stark geschwächt ist oder gar in verkehrtem Sinne wirkt.

     Demgemäß hat die Änderung der Eigenschaften bei polymorpher Umwandlung ihren Grund nicht einfach in Raumgitteränderung, sondern in Änderung der Moleküle. Diese erst verursacht, wegen Änderung der molekularen Richtkräfte, auch eine Änderung der Raumgitteranordnung.

     In der Tat gleichen die Erscheinungen bei polymorpher Umwandlung ganz den bei Dissoziation und Assoziation im Falle lockerer chemischer Verbindungen (sog. Molekularverbindungen, z. B. Abspaltungen oder Aufnahme von Kristallwasser), wobei ebenfalls Aufzehrungserscheinungen auftreten, sowie Änderung der optischen Eigenschaften und regelmäßige Orientierung der neuen Modifikation gegen die alte, da die Richtkräfte auch zwischen beiden Molekülarten wirken, nicht nur zwischen gleichartigen.

     Und ganz so wie in diesen Fällen verlorene chemische Energie als Reaktionswärme auftritt, erscheint sie bei polymorpher Umwandlung als Umwandlungswärme.

     Ein wichtiger Fall chemischer Reaktionswärme ist die Erzeugung der Körperwärme von Organismen durch Oxydation des Blutes. Hier kann aber die chemische Energie vermöge der Muskeltätigkeit sich auch direkt in mechanische Energie umsetzen. Entstehung der Arbeit aus Wärme wie bei einer Dampfmaschine ist ausgeschlossen, da z. B. bei einer Forelle oder Fliege das vorhandene Temperaturgefälle dazu bei weitem nicht zureicht.

     Sind auch bei polymorpher Umwandlung ähnliche Arbeitsleistungen unmittelbar durch chemische Energie zu beobachten?

     Wirklich gelang die Beobachtung in mehreren Fällen, z. B. bei Protokatechusäure.[1] Deren Kristalle ziehen sich bei der Umwandlung schief, knicken und spalten sich (Fig. 9a-c und 10) offenbar infolge der Wirkung der molekularen Richtkraft der alten auf die neue Modifikation (entsprechend der die regelmäßige Verwachsung verschiedenartiger Kristalle [Bildung von Schichtkristallen]


  1. O. Lehmann, Wied. Ann. 25 (1885), 173; Ann. d. Phys. 21 (1906), 288.