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Seite:De DZfG 1890 03 366.jpg

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von Deutschland und Polen aus Häresien im Westen Ungarns sich verbreiten, deren Verfolgung mit derjenigen der Waldenser in Böhmen und Polen zusammenfällt; vielleicht hatte das Waldenserthum, worauf allerdings nur eine schwache Spur hinweist, schon um 1260 im Oesterreich-Ungarischen Grenzgebiet Boden gefasst[1]. In den öfter besprochenen beiden Listen Waldensischer Meister aus den letzten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts werden uns aus Ungarn genannt: ein Jacobus in Ofen, ein Schuster Gottfried und ein Schneider Simon, der Letztere aus Galicz (?) in Ungarn, endlich Petrus von Siebenbürgen, der nachmals zum katholischen Priester geweiht wurde. Um 1395 ist die Inquisition, wie Petrus von Pilichdorf triumphirend mittheilt, mit grossem Erfolg gegen die Ungarischen Waldenser thätig gewesen[2]. Gleichwohl finden wir die Inquisitoren Petrus und Martinus noch im Jahre 1401 mit Vollmachten für die Provinz Gran und die Diöcese Raab versehen und gegen Waldenser aus der Umgebung von Oedenburg in Wirksamkeit. In einem in der Pfarrkirche von Oedenburg erlassenen Inquisitionsurtheil vom 9. Januar 1401, das wir im Anhang mittheilen[3], werden einer grösseren Anzahl von Waldensern, Männern und Frauen, die über sie verhängten kirchlichen Strafen verkündigt; dieselben bestehen in dem Tragen des blauen Busskreuzes und öffentlicher Kirchenbusse. Aber auch die Bestrafung der abgeschiedenen Ketzer hat die Inquisitoren lebhaft beschäftigt; deren Gräber sollen geöffnet und ihre Ueberreste auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Von besonderer

  1. Vgl. Jahrg. I Heft 2 S. 312 ff. Der Passauer Anonymus (Bibl. max. XXV, 264 C; Flacius S. 630; Müller S. 148) berichtet von einem Häresiarchen Heinrich, der in „Thewin“ (so Müller nach clm. 2714; al. Cheron, Xeroin) verbrannt wurde; ist dieser Ortsname wirklich der von dem Anonymus niedergeschriebene, so kann nur an die Ungarische Grenzstadt Theben (an der Mündung der March in die Donau) gedacht werden, die 1271 von Otakar von Böhmen zeitweilig in Besitz genommen wurde. Theben heisst 814 „Dowina“, 1271 „Tewen“ (Oesterley’s Wörterbuch S. 682). Es sei hier auf die Hypothese von W. Wilmanns (Beiträge zur Geschichte der älteren deutschen Literatur. Heft 1. 1885) hingewiesen, wornach die unter dem Namen des Heinrich von Melk gehenden Satiren von einem im 14. Jahrh. in Ungarn lebenden und den Waldensischen Lehren zugethanen Dichter verfasst und später in kirchlichem Sinne überarbeitet worden sind. Ich gestehe, dass mich Wilmanns’ Beweisführung nicht hat überzeugen können.
  2. Bibl. max. patr. Lugd. XXV, 281 E.
  3. s. Beilage I.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 366. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_366.jpg&oldid=- (Version vom 1.11.2022)