Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft | |
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6. Die Reihenfolge der Zeugen verrathe den Fälscher; in völliger Unkenntniss der Rangverhältnisse hätte er nämlich Ludwig, Pfalzgrafen von Sachsen und Landgrafen von Thüringen, drei Herzögen und zwei Markgrafen vorausgehen lassen. In der That, – es gibt nur Urkunden, worin dieser Ludwig den Herzögen nachsteht[1], meist folgt er auch den Markgrafen[2]. Aber soll man wegen einer derartigen Verschiebung gleich die Urkunde verurtheilen? Folgerichtig würde dann gar manches Document fallen, denn solche Verstösse gegen die Etikette sind keine Seltenheit, z. B. in einer kaiserlichen Urkunde desselben Jahres, welchem die unsrige angehört, wird der Reigen von drei Markgrafen eröffnet, ein Graf schliesst sich an, und erst dann tritt der Herzog von Sachsen auf[3]. Uebrigens war es Niemanden unbekannt, dass die Herzöge unter den weltlichen Würdenträgern des Reiches die erste Stelle einnahmen. Das hätte ganz besonders ein Fälscher, der doch in den Kreisen eines Kölner Erzbischofs zu suchen wäre, nicht ausser Acht gelassen. So handelt es sich denn um ein gewöhnliches Kanzleiversehen, – wenn der Vorzug, welcher dem Pfalz- und Landgrafen gegeben wurde, nicht am Ende gar ein beabsichtigter war. In der Urkunde heisst es, die Theilung des Herzogthums und die Belehnung des Erzbischofs sei erfolgt, requisita a principibus sententia. Da pflegte ein Obmann den Spruch zu verkünden; und sollte der Pfalz- und Landgraf damals für die Fürsten das Wort geführt haben, so trat er hierdurch derart in den Vordergrund, dass der „Diktator“ unserer Urkunde, der den Verhandlungen doch gewiss beiwohnte, um das „Concept“ möglichst den Thatsachen anpassen zu können, ihm vollbewusst den ersten Platz unter den Zeugen zuweisen mochte. Aus demselben Grunde, wenn ich nicht irre, wurde im Juli 1173, als der „Erwählte“ Konrad von Worms ein Urtheil gefunden hatte, dieser vor mehreren „Geweihten“ aufgeführt[4]; und wenn bei der Beurkundung eines Spruches vom Mai 1222 der Graf von Dietz die Reihe der Zeugen eröffnet, wenn namentlich der Pfalzgraf bei Rhein,
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_331.jpg&oldid=- (Version vom 30.10.2022)