Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft | |
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theils, zu Handhabung dieser, die Obrigkeit. Für die Obrigkeit aber ist der nöthige Grad von Macht, um das Gesetz des Ganzen gegen jeden Einzelnen oder gegen mehrere Widerstrebende geltend machen zu können, unentbehrlich. Bei der Schwierigkeit nun, welche in einer Conföderation mehrerer Staaten hinsichtlich der Ausstattung der ihnen doch unentbehrlichen Obrigkeit mit der nöthigen Macht stattfindet, indem – ohne sich selbst aufzugeben, welches doch dem Zweck widersprechen würde – kein einzelner Staat so viel zu dieser nöthigen Dotation von seiner Macht abgeben kann, als hinreicht, ein taugliches Ganzes von Centralgewalt zu stiften, ist es erforderlich, dass einer unter den Bundesstaaten in sich selbst diese erforderliche Macht besitze. So wird er jedem einzelnen und zugleich mehreren der Conföderativstaaten imponirend gegenübertreten können, wenn sie dem Gesetze des Bundes den Gehorsam weigern wollten; er selbst aber wird nicht der Gesammtheit aller Conföderativstaaten despotisch entgegentreten können, aus dem einfachen Grunde, weil wir nicht in Utopien leben, sondern in der Mitte der Europäischen Staatenrepublik existiren.
Nach dem einfachen Verhältniss dieses Gesetzes der Wechselwirkung muss sich das eigenthümliche Leben einer Conföderation, eines Staatenstaates entwickeln, und einmal richtig eingeführt und organisch begründet sicher fortführen.
Deutschland – wenn wir von der Gegenwart ausgehen wollen und gegen Revolutionen, welche das Oberste zu unterst kehren und leicht nach 25 Jahren mit einem Soldatenkaiser endigen, den gehörigen gesunden Abscheu hegen – Deutschland, im Ideal seiner Wiedergestaltung gedacht, kann nur einen solchen Staatenstaat bilden, für welchen die Namen Reich oder Bund – sowie für dessen vertragsmässiges Haupt: Kaiser, Beschützer, Bundesvorstand oder wie sonst – nur verschiedene Ausdrücke für einen und denselben nothwendigen Begriff sein würden.
Doch selbst zu diesem Ideal vermag Deutschland nicht – jetzt wenigstens gewiss nicht – zu kommen. Im Süden hauptsächlich, im Norden zum Theil, liegen die Hemmungen dieser Ausbildung.
Allein es fragt sich: Soll Deutschland auch zum Theil zu gar nichts Vernünftigem kommen? Soll nicht, was da kann, geschehen?
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_285.jpg&oldid=- (Version vom 28.10.2022)