Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft | |
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wie der anorganischen Natur wirkt der Satz vom Grunde, welchem die ganze Welt der Erscheinung unterworfen ist, in der Weise ein, dass er sich bei dem anorganischen Körper als Ursache im engsten Wortsinne, bei Pflanze und Thier als Reiz, bei dem Menschen jedoch als Motivation äussert[1]. Von Freiheit kann sonach nur beim Menschen die Rede sein; denn er allein ist sich vermöge des Selbstbewusstseins seines Willens bewusst. Dabei kommt nicht in Betracht die physische Freiheit; denn sie ist stets vorhanden, wo keine materiellen Hindernisse unserem Handeln im Wege stehen[2]. Es kommt ferner nicht in Betracht die intellectuelle Freiheit; denn diese ist bei normalem Zustande des Erkenntnissvermögens gegeben[3]. Ist der Mensch frei, so ist er es in moralischer Hinsicht, indem alsdann sein Wille durch nichts bestimmt ausserhalb des Satzes vom Grunde oder der Nothwendigkeit steht[4]. Nun hat schon Kant auf das Bündigste erwiesen, dass jede That des empirischen Menschen „das nothwendige Product seines Charakters und des eingetretenen Motives ist“[5], wofür auch die unbelebte Natur ein Analogon bietet in der Aeusserung, welche durch eine Ursache der allgemeinen Naturkraft abgenöthigt wird. Verantwortlichkeit kann daher dem Menschen nur dann zugemuthet werden, wenn sein Charakter seine eigne That ist[6]. Dies hatte Kant behauptet, indem er aus dem unauslöschlichen Gefühl der Verantwortlichkeit in unserer Brust auf ein dem empirischen Charakter des Menschen Uebergeordnetes schloss und dem von ihm sogenannten intelligibelen[7] Charakter des Menschen die Freiheit wahrte, die er für den empirischen Menschen, d. h. den Menschen, wie er in die Erscheinung tritt, bestreiten musste. Dagegen will nun Schopenhauer nicht „durch Hineinziehen des Gewissens in das Selbstbewusstsein die Frage auf den Boden der Moral hinüberspielen“[8], und glaubt die Frage
- ↑ Grundprobleme S. 29.
- ↑ l. c. S. 4.
- ↑ l. c. S. 5 u. 98 fg.
- ↑ l. c. S. 8.
- ↑ l. c. S. 56. Die Hauptstelle bei Kant, Kritik d. r. V. S. 577 der 2. Aufl. S. 392 der Erdmann’schen Ausg.
- ↑ l. c. S. 73.
- ↑ Kant, K. d. r. V. S. 566 der 2. Aufl. (Erdmann S. 385): „Ich nenne dasjenige an einem Gegenstande der Sinne, was selbst nicht Erscheinung ist, intelligibel.“
- ↑ Grundprobleme S. 10.
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_055.jpg&oldid=- (Version vom 11.11.2022)