Ludwig Quidde (Herausgeber): Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft | |
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Opposition gegen Philipp’s Regierung vorzugsweise vertreten und seit 1572 in Holland-Seeland die Führung des Aufstandes übernommen hatten, nämlich den Landständen der einzelnen Provinzen, zunächst denjenigen von Brabant. Dass die Brabanter Stände die Aufstellung eigner Truppen gegen die meuternden Soldaten des Königs beschlossen und die Zustimmung des Staatsrathes, dem im Auftrage Philipp’s II. die interimistische Regierung zustand, hierzu erzwangen, dass dann andere Provinzen jenem Beispiel folgten, war der erste Act in der damals beginnenden Verwicklung. Ein zweiter Act sollte im Sinne der Brabanter Stände in der Berufung von Generalstaaten aus sämmtlichen Provinzen[1] bestehen: als constituirende Generalstaaten sollten dieselben den Frieden mit Holland-Seeland und die staatliche Neuordnung der Lande nicht nach den Vorschriften Philipp’s II., sondern nach den Wünschen des Landes festsetzen. Aber zu dieser zweiten Forderung versagte der Staatsrath seine Einwilligung. Und da ging denn die Bewegung voran, indem am 4. September eine entscheidende That erfolgte, eine That, durch welche die Stände, nachdem sie von vornherein gegen die königlichen Truppen eine kriegerische Haltung angenommen hatten, nun auch genöthigt wurden, gegen Philipp’s Autorität und Regierungsweise gewaltsam voranzuschreiten. Dieser Staatsstreich ist es, an den sich die ersten Fragen über die Stellung Wilhelm’s von Oranien zu der im Süden emporgehenden Bewegung anknüpfen.
Das Wesentliche des Handstreichs vom 4. September bestand in einer gewaltsamen Umwandlung des zwischen den Ständen und Philipp II. schwankenden Staatsrathes: von seinen sechs[2] anwesenden Mitgliedern wurden vier gefangen genommen und zwei (Arschot und Viglius) in ihren Häusern bewacht; erst am 15. September konnten drei Räthe, die man frei gegeben (Arschot, Viglius und Sasbout) sich wieder als Staatsrath constituiren und sich durch Zuziehung von drei neuen Mitgliedern
- ↑ Ueber den Unterschied zwischen Generalstaaten im gewöhnlichen Sinn und Generalstaaten, wie sie nunmehr verlangt wurden, vergl. meine Deutsche Geschichte I S. 492, Anm. 3.
- ↑ Nach Requesens’ Tod zählte der Staatsrath sieben Mitglieder. (Motley, Leipziger Ausg. 1858, III S. 2; über die Ernennung Sasbout’s und Rassenghien’s vergl. Gachard, Corresp. de Philippe t. IV S. 6/7.) Von diesen
Ludwig Quidde (Herausgeber): Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg i. Br. 1890, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_029.jpg&oldid=- (Version vom 18.10.2022)