Ludwig Quidde (Herausgeber): Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft | |
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unter deren Mitarbeitern als warmer Freund und Parteigenosse uns auch der Geschichtschreiber Griechenlands begegnet[1].
Für die Tendenz dieser ganzen Literatur ist schon bezeichnend die Definition des Capitals, welche den grundlegenden Glaubenssatz derselben bildet. Capital ist für die Schule Bentham’s und Ricardo’s „ersparte Arbeit“,[WS 1] und zwar hat sie dabei wesentlich den Besitz von Handel- und Gewerbetreibenden, sowie von Pächtern im Auge, im Gegensatz zu dem Grundbesitz. Dass der heutige Grund und Boden in derselben Weise durch vorangegangene Culturarbeit zu einem Werthobjekt geworden ist, wie die Werkzeuge des Handels und der Industrie durch die auf ihr Material verwandte Arbeit, das wird einfach ignorirt und der Boden als „Geschenk der Natur“ hingestellt[2]. Und wenn hier auch aus begreiflichen Gründen nicht die Consequenz gezogen wird, die später der Socialismus aus Ricardo’s Lehre abstrahirt hat, dass das Grundeigenthum überhaupt im Widerspruch mit der natürlichen Gerechtigkeit steht, so wird doch der Grundbesitz innerhalb der capitalistischen Gesellschaft als ein berechtigter selbständiger Factor socialer Classenbildung nicht anerkannt.
Allerdings richtet sich die Polemik der Lehre vor allem gegen die unproductiven Landlords, welche „Jagdwild einhegen, Füchse jagen und sich Kornzölle decretiren“; wenn aber gleichzeitig von jeder grundbesitzenden Aristokratie behauptet wird, dass ihr Interesse jederzeit ein dem Interesse aller anderen Stände der Gesellschaft entgegengesetztes sei, so bleibt doch auch kein Raum mehr für jene wahrhafte Aristokratie, die „working aristocracy“, um mit Carlyle zu reden, – welche für eine gedeihliche Entwicklung von Staat und Gesellschaft von so wesentlicher Bedeutung ist. Und greift nicht die Consequenz der Lehre noch weiter? „Das Capital als Frucht der Arbeit definiren heisst das Capital, d. h. hier das mobile Capital, hinstellen als die höchste Frucht der Arbeit, als natürliche Spitze und wohlthätige Beherrscherin der Arbeit“[3]. Es gibt nur noch zwei Factoren wirthschaftlicher Classenbildung: Capital und Arbeit; ersteres repräsentirt durch die besitzende Bourgoisie, die von der Doctrin
Anmerkungen (Wikisource)
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Ludwig Quidde (Herausgeber): Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg i. Br. 1890, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_022.jpg&oldid=- (Version vom 19.10.2022)