Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft | |
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Trauerjahre heiratheten viele Wittwen schnell wieder, manche, der sogar zwei Männer eben an der Pest gestorben waren; die Partie ward einfach als Geldeswerth behandelt, von Liebe war keine Rede. Eine Panik herrschte wohl im begüterten Bürgerthum, aber nicht in den Dörfern. Ueberaus vorsichtig stellt Verf. einige Folgen der Pest hin: 1) Die Candidaten für Aemter wurden selten und theuer, denn nicht nur, dass die niederen Vacanzen schnell wieder besetzt werden mussten, auch die höheren Aemter, massenhaft frei geworden, lockten die Streber nach London, fort von bescheidenen Stellen. Sicher litt darunter des Volkes Achtung vor der Kirche. Ob aber Wikliffe’s Umwälzung vom Schwarzen Tod wesentlich abhängt, bleibt fraglich; denn mancher ihrer Factoren, wie der Kampf gegen die Bettelorden, erscheint schon früher; ja durch die Bevölkerungsabnahme müsste sie sich sogar verzögern. 2) Der Lehensbesitzer, der Landadel, wurde plötzlich reich, einmal durch Gebühren für Grundübertragung und Bodenheimfall von seinen Hintersassen, dann durch Zusammenerben mehrerer Lehen. 3) Dass zwei oder drei Millionen starben, ist bloss willkürliche Annahme. Die Lohnsteigerung nach der Pest entstand nur theilweise durch sie. Den Klagen der Grundbesitzer über Pachtverluste widerspricht nämlich die Thatsache, dass der Luxus bedeutend stieg; und wenn die Gemeinen des Parlaments von 1350 über die Theuerung der Arbeiter klagen, so bezwecken sie Steuererleichterung, sind also nicht unverdächtige Zeugen; auch verlangen sie ein Lohnmaximum, nicht etwa gemäss dem Jahre 1348, sondern 1340: also nahm der Arbeitgeber die Pest zum Vorwand, um den seit einem Jahrzehnt langsam gestiegenen Gewinnantheil des Arbeiters zurückzuschrauben. Des Verfassers Einspruch S. 258 gegen Versuche, eine neue, vielleicht tausendfältig beeinflusste Erscheinung aus einer Ursache zu erklären, hat methodologischen Werth, ebenso wie seine Forderung an die Zukunft, Englands Culturgeschichte mit selbstlosem Heroismus zu durchforschen.
VI., S. 263: „Die Gründung einer Universität“, knüpft an das grosse Werk von Willis und Clark, „Architectural hist. of Cambridge“ an, dessen Bedeutung Verf. auch für allgemeine Geschichte rühmt; er zieht vieles für tägliches Leben, Gewerbe und Kunst des späteren Mittelalters Wichtige aus. Cambridge war schon vor Römerzeit befestigt, ist also ein Jahrtausend älter als Oxford. Aus dem römischen Camboritum ward bei den Angelsachsen eine Grantabricge, als man, statt die römische Pflasterstrasse durch den Fluss zu erhalten, eine Brücke über ihn spannte. Beide Universitäten und ihre Städte erwachsen unabhängig von Ordenshäusern; in Cambridge gab es zwar andere Orden, aber Mönche im engeren Sinne überhaupt nicht; und
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 491. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_02_491.jpg&oldid=- (Version vom 27.11.2022)