Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft | |
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IV. (S. 167), V.: „Der Schwarze Tod in Ostanglien“ bildet den historisch werthvollsten Abschnitt des Buches, wenn auch die allgemeine Geschichte der Pest (von deren neuerer Literatur nur Hecker benutzt ist) wenig gewinnt. Verf. meint, sie hänge vielleicht mit den damaligen atmosphärischen Störungen und Erdbeben zusammen. Im August 1348 erschien sie in England, doch erst im März 1349 in Ostanglien, wo sie im Juli gipfelte und im November nachliess. Verf. erschliesst die Sterblichkeit und ihre Folgen für das sittliche Leben der Zeit (mit Kritik und Combination, die ihn auf der Höhe der Culturforschung zeigen) aus Ungedrucktem: 1) dem Register der Bischöfe von Norwich über Einsetzung von Klostervorstehern und Pfarrern (letztere geschah möglichst eilig, weil Patron und Candidat fürchteten, Rom möchte einen Italiener – trotz Innocenz’ IV. Versprechen – in die Vacanz einschieben); 2) aus den Lehnshofrollen (deren Wesen er erklärt), wo der Todesfall fast jedes Hausbesitzers vorkommen muss. Natürlich erhält er hieraus nur einen Theil der Sterblichkeit, andere Todesfälle folgert er anderswoher, z. B. aus technischer Unvollkommenheit der Rollen um 1349 das Aussterben geschäftsmässiger Gutsschreiber. Er schliesst, dass mindestens die Hälfte der Landbevölkerung Ostangliens in jenem Jahre umkam: für die Städte fehlen zwar Beweisstücke; allein das höchst ungesunde Leben der dortigen unteren Classen im 14. Jh. lässt mindestens kein günstigeres Ergebniss erwarten. Aus den oberen Ständen traf die Pest nachweislich mehr Männer als Frauen. – Einige Convente starben gänzlich aus, so dass ihr Gut anderen Stiftern zufiel. Geistliche starben in Ostanglien 1349 an 2000. Wegen Mangel an Candidaten konnten ihre Nachfolger nicht sorgfältig ausgewählt werden; die neuen Pfarrer waren bisweilen kurz vorher verwittwete Laien, durchschnittlich weniger gebildet, aber nicht erweislich unsittlicher, wie denn die Bettelbrüder den Weltklerus zu so heilsamem Wetteifer angestachelt hatten, dass die Landgeistlichkeit des 14. Jhs. in England besser war als die des 13. Nur die Orden erholten sich nie wieder von den Folgen der Pest. Einige Beispiele zeigen, dass grässliches Unglück auch damals bisweilen sittlich veredelte; sogar die harten Gutsvögte erliessen Strafgelder. Dagegen gab es nicht weniger Rauferei als sonst: „in Ostangliens Dorfkrawallen floss im 14. Jh. Blut in Menge, würdig Heidelbergs [!]“. Wenn bei allem gesellschaftlichen Unglück eine Spur von Rechtlosigkeit oder Pflichtvergessenheit sich nur selten findet, so möchte Verf. dies Zeichen starker Selbstbeherrschung aus der erziehlichen Decentralisation erklären, in der jedes Kirchspiel eigene Polizei und Selbstverwaltung besass. Gleich nach der Pest kam es natürlich zu einer Fülle von Processen. Noch im
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 490. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_02_490.jpg&oldid=- (Version vom 27.11.2022)