Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft | |
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müssen. Und doch ist dem nicht so. Wenn es auch wahr ist, dass in gewissen Beziehungen, z. B. auf dem Gebiet der juristischen Studien, die Revolution theoretische und praktische Untersuchungen zum Schaden der historischen Richtung gefördert hat, so hat sich der Sinn für Geschichte darum nicht weniger mit wunderbarer Gewalt entwickelt, und er hat sich in demselben Masse fühlbar gemacht, in dem die Unbeständigkeit der politischen Verhältnisse die Franzosen fühlen liess, was es sie gekostet hatte, plötzlich die Banden zerreissen zu wollen, welche die Vergangenheit an die Gegenwart knüpfen.
Wir können uns nicht anmassen, ein vollständiges Bild der historischen Bewegung im heutigen Frankreich zu entwerfen. Ich werde nur versuchen, ihre Hauptzüge anzugeben und gleichzeitig zu zeigen, in welcher Art das historische Studium augenblicklich organisirt ist.
Im letzten Jahrhundert figurirte die Geschichte, so zu sagen, nicht in den Unterrichtsprogrammen; heutzutage nimmt sie auf allen Stufen des öffentlichen Unterrichts den Ehrenplatz ein. In den Elementarschulen unterrichtet man in Nationalgeschichte; in den Lyceen wird die französische Geschichte in den Elementarclassen gelehrt, während im classischen Unterricht von der sechsten bis zur Philosophieclasse, d. h. sieben Jahre lang, ein Sechstel bis ein Fünftel der Unterrichtsstunden der Universal-G. gewidmet ist. Das Verhältniss ist sogar noch günstiger in den Fachschulen des Enseignement spécial (welche etwa den deutschen Realschulen entsprechen) und in den Secundärschulen für Mädchen. Im höheren Unterricht behauptet die Geschichte eine hervorragende Stellung. An der Faculté des lettres in Paris kommen auf 88 Professoren 10 für Geschichte und 2 für Geographie, ohne die freien Vorlesungen des Hrn. Seignobos mitzurechnen. Dasselbe Verhältniss besteht in den Facultäten der Provinz. Dieser grosse Aufschwung des historischen Unterrichts datirt übrigens erst aus den letzten Jahren, seitdem unser höherer Unterricht vollständig reformirt und sein Rahmen unendlich erweitert worden ist. Unter dem zweiten Kaiserreich gab es in der Faculté des lettres nur drei Professoren der Geschichte, einen für das Alterthum, einen für das Mittelalter und einen für die neuere Zeit. Heute wird die alte Geschichte gelesen von den Herren Bouché-Leclercq und Guiraud, Mittelalter von den Herren Luchaire, Langlois, B. Zeller, Neuere Zeit von den Herren Lavisse, Pigeonneau, Aulard, Rambaud, Archäologie von Herrn Collignon. Dabei ist noch hinzuzurechnen, dass einige Professoren der Literatur, wie Hr. Gebhart, eigentlich historische Vorlesungen halten. Hr. Fustel de Coulanges, welcher auch Geschichte des Mittelalters liest, ist augenblicklich beurlaubt. Während die Vorlesungen
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_02_161.jpg&oldid=- (Version vom 2.7.2018)