Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft | |
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Frieden oder arger Schrecken vor dem Papste muss durch die ganze Bürgerschaft gegangen sein. Am stärksten vielleicht durch die altadlichen Geschlechter, denen ja dieses Mal noch die drei Gesandten an den Papst angehört hatten, die aber kaum im Unklaren darüber sein konnten, was ihnen bevorstehen werde, wenn die Stadt sich dem Papst widersetzen und in der populären Richtung weiter entwickeln werde. Die Leichtigkeit, mit der man in ihr, namentlich in späteren Zeiten, sich in den verschiedensten künstlichen Verfassungsexperimenten versuchte, tritt bei dieser Gelegenheit zum erstenmal hervor.
Es konnte wohl auch manchem bedächtigen und erfahrenen Bürger scheinen, dass dieses Mal ein dauernder Frieden und eine den verschiedenen Interessen gerecht werdende Verfassung werde hergestellt werden. Denn unzweifelhaft war der Mann, dem die Stadt die Balía anvertraut hatte, tüchtig und eifrig. Schlug er auch hier fast denselben Weg ein und verwendete dieselben Mittel, die er bei der Befriedung von Bologna gebraucht hatte, so schien er doch auch in Florenz mit unparteiischem Sinne, mit Schonung und unter Berücksichtigung des Alleinmöglichen an sein schwieriges Werk heranzutreten. Und – doch verlohnt es sich kaum, dasselbe hier in allen seinen Einzelheiten, welche uns durch die Urkunden vollständig aufbewahrt sind, darzulegen. Von so kurzer Dauer war dieser letzte Versuch, allen Elementen, welche bisher in dem Leben der Stadt eine Rolle gespielt hatten, gerecht zu werden und sie auch für die Zukunft zu verwerthen. Dass dieser Versuch schon nicht mehr aus dem Schosse der Stadt selbst direct hervorging, sondern, wie es allerdings damals vielfach Sitte war, von einem Fremden gemacht werden musste, verräth die Unhaltbarkeit des ganzen Versuchs. Wie einst in dem kleinen hellenischen Staatswesen ähnliche Verfassungskünsteleien nirgends[1] von Bestand gewesen sind, so auch jetzt nicht in diesen mittelalterlichen italienischen Comunen.
Allein wenn auch das Werk des Cardinals Latino nicht von langer Dauer war, so bildet es doch einen Factor der späteren Entwicklung, nicht nur desshalb, weil seine Ordnungen
- ↑ Man muss vielleicht den in Kyrene von Demonax gemachten ausnehmen. Das delphische Orakel spielte bei ihm die Rolle des Papstes in Florenz. Duncker, Geschichte des Alterthums. VI (5. Aufl.), 273.
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_02_071.jpg&oldid=- (Version vom 3.11.2022)