Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft | |
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ihm hierzu von allen Anwesenden die nöthigen Machtbefugnisse, eine sogenannte balía, gegeben werde. Diese bestanden darin, dass er alle Städter und Grafschaftsbewohner zum Gehorsam gegen seinen Schiedsspruch zwingen und alle Ungehorsamen verbannen könne; dass er sich aller Häuser, Castelle, Güter u. s. w. der Widerspenstigen bemächtigen und mit ihnen nach seinem Gutdünken verfahren dürfe; dass er in höchster Instanz Strafen verhängen, Geisseln fordern und sich aller festen Plätze versichern könne; alle Processe und Strafen, welche hieraus erwachsen, sollten angesehen werden, als gingen sie vom gesammten Volke aus; alle Beamten der Stadt müssen sich seiner Autorität fügen, ohne sich gegen seine Befehle auf die Statuten und die Gewohnheiten der Stadt berufen zu können; thäten sie es doch, so müsse er das Recht haben, sie zur Unterwerfung zu zwingen, und wenn sie sich widersetzten, sie mit geistlichen und weltlichen Mitteln zu strafen. Man sieht, der Cardinal liess sich das Amt eines Dictators übertragen. Nicht durch eine Ueberrumpelung, sondern mit freier Zustimmung aller Florentiner sollte das aber geschehen. Nachdem er seine Bedingungen gestellt und sie angenommen worden waren, forderte er nochmals auf, Jedermann, der gegen diese Uebertragung solcher Machtbefugnisse etwas einzuwenden habe, solle sich frei aussprechen. Alle stimmten zum zweitenmal bei. Jetzt erst liess der Cardinal durch einen Notar ein öffentliches Instrument über diese Machtertheilung aufnehmen[1].
So tief hatte die reiche und mächtige Stadt sich noch nie vor einem Fremden gebeugt. Ein mächtiges Verlangen nach
- ↑ Die Florentiner verliehen dem Cardinal formell freiwillig diese sogenannte balía, welche Nicolaus III. seinem Neffen für Bologna aus eigener Machtvollkommenheit gegeben hatte. Der Inhalt derselben, sowie auch der des Friedensinstrumentes selbst, hat mit der Urkunde grosse Aehnlichkeit, welche der Papst für Bologna erliess und die Ghirardacci, Della historia di Bologna I, 237 u. f. hat abdrucken lassen. Der „Frieden des Cardinals Latino“ für Florenz ist in seinen Grundzügen nur eine Wiederholung des von Bologna. Die Verhältnisse beider Städte waren einander auch sehr ähnlich. Ich will auf diese Thatsache nur aufmerksam machen, weil sie, soviel ich sehe, noch nicht bemerkt ist, unterlasse es aber, auf die analogen Bestimmungen in beiden Friedensinstrumenten näher hinzuweisen. – Der Cardinal Latino ist wahrscheinlich der Dichter des weltberühmten Hymnus: Dies irae. Er entschied auch die Wahl Celestin’s V.
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_02_070.jpg&oldid=- (Version vom 3.11.2022)