Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft | |
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kostete und in den Zurückkehrenden grösstenteils nicht aufgeklärte, sondern losgebundene, freche und üppige Menschen zurückbrachte“. Das Gute, das zu ihrer Zeit geschah, kam nach Herder meistens von Nebenursachen her[1].
Aber all diese schiefen Urtheile, die sich leicht vermehren liessen – ich erinnere noch an die ungerechte Beurtheilung der Römer –, können das Verdienst der Ideen nicht schmälern. Es war der Tribut, den sie ihrem Jahrhundert abtragen mussten. Auch hat Herder nicht zu allen Zeiten so absprechend über die christliche Religion und das Mittelalter geurtheilt, vielmehr hatte er selbst, anderthalb Jahrzehnte früher, in jener kleinen Schrift, die den keimkräftigen Grundgedanken der Ideen schon enthielt und den Titel trug: „Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit“ (1774), gerade eine Lanze eingelegt für jenes verschrieene finstere Zeitalter und einer unbefangeneren Beurtheilung desselben die Bahn geebnet, auf der dann bald die Romantiker in hellen Haufen einherzogen.
Und noch mehr! So einseitig und ungerecht Herder häufig in seinem Urtheil war, so hat er der Geschichte doch nie Gewalt angethan. Er hat nicht, wie es von Hegel später geschah, den Stufengang der Entwicklung einem dialektischen Princip untergeordnet und im Fortgang der Geschichte jenen berufenen Entwicklungsprocess des Weltgeistes erblickt, welcher in Europa seinen Abschluss findet, vielmehr war er der Ansicht, dass zu gewisser Zeit, unter gewissen Umständen auf jedes Volk ein Zustand des Glückes, der Blüthe, der Ausgestaltung einer relativen Humanität traf[2]. Ihm waren bei seiner geschichtlichen Betrachtung „die Weltbegebenheiten nur das Zifferblatt, dessen Zeiger von inneren Uhrgewichten geregt wird“[3], und wenn er oft genug die Ziffern falsch ablas, so hat er sich doch nie vermessen, mit vorwitziger Hand in das innere Getriebe zu greifen oder an dem Zeiger eigenmächtig zu rücken. Darum mochte seine historische Auffassung im Einzelnen tausendfältig corrigirt werden, ohne dass dies den Grundgedanken berührt und der Wirkung seiner Ideen Abbruch gethan hätte. Schon Goethe konnte sagen, Herder’s Ideen seien dergestalt in die Kenntnisse
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_02_025.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2022)