Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft | |
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für die That zu entschlagen sucht, und sie vielmehr theils dem sächsischen Adel, theils dem mit Zustimmung der Sachsen erlassenen Gesetze zuschiebt. Die Entscheidung über die Massenhinrichtung, meint er, habe gar nicht beim Könige gelegen. „Jene grosse Zahl wurde ihm ausgeliefert – von den Häuptern des Volkes; bei diesen ruhte die Bestimmung der Zahl, und wenn sie ein ganzes Heer, wie sie wussten, gesetzlich dem Tode Verfallener auslieferten, so scheinen gerade sie die Beseitigung so vieler gewünscht, zunächst das eigene Interesse dabei vor Augen gehabt zu haben.“ Mit dieser Anschauung steht Kentzler wohl ganz allein: sie macht den König Karl zu einem blinden und gehorsamen Werkzeuge des sächsischen Adels und eliminirt dessen eigensüchtigen Interessen gegenüber sogar das Gnadenrecht des Königs, das ihm doch auch dann zustand, wenn wirklich das Gesetz die furchtbare Blutthat forderte.
Dass dies der Fall gewesen sei, hat zuerst Waitz ausgesprochen[1], und er hat daran, abweichend von seiner frühern Ansicht, die von Kentzler weiter ausgeführte, auch von Dümmler u. A. anscheinend acceptirte Bemerkung geknüpft, die Hinrichtung sei „keine Willkür, keine Rachethat Karls, sondern die Ausführung dessen gewesen, was die Sachsen hatten als Recht annehmen müssen“.
Dem gegenüber wird es nothwendig sein, zu prüfen, ob wir wirklich in der Massenhinrichtung die Ausführung einer kurz zuvor getroffenen Gesetzesbestimmung zu sehen haben, welche die Untreue gegen den König mit dem Tode bedrohte[2].
Waitz hat entgegen den älteren Vermuthungen, welche die Capitula de partibus Saxoniae in das Jahr 785 oder 789 oder in noch spätere Zeit verlegten, vor Allem aber gegen Richthofens
- ↑ Nachrichten v. d. G. A. Universität 1869, S. 33.
- ↑ Ich will hier die weder von Waitz noch von Kentzler berührten Fragen wenigstens aufwerfen: Wer war denn infidelis im Sinne des Gesetzes? Konnte, auch wer nie der Herrschaft Karls sich unterworfen hatte, als domino regi infidelis capitali sententia puniri? Oder aber, wenn ein besonderer Act erst die fidelitas begründete, hatten denn die 4500 alle diesen Act vollzogen? Von Widukind darf man mit Sicherheit behaupten, dass er dem Könige vor 785 niemals fidelitas gelobt hatte. Er entging nur durch Zufall der Hinrichtung an der Aller. Wäre aber diese anderenfalls an ihm auf Grund gesetzlicher Bestimmung vollzogen oder nicht vielmehr nur an dem kriegsgefangenen rechtlosen Feinde?
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_076.jpg&oldid=- (Version vom 8.11.2022)