Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft | |
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Lorenz hebt selber S. 285 f. umsichtig hervor, wie vielfach der Zusammenhang im Wirken je einer bestimmten Generation durchkreuzt und gehemmt wird – nach unserer Meinung ist das in so hohem Grade der Fall, dass überhaupt eine Gesetzmässigkeit, wenn solche vorhanden, nicht mehr erkannt werden kann. Noch weniger reicht das Beweismaterial für die Annahme, dass nun gerade dreimal 3 oder sechsmal 3 Generationen Epoche machen sollen: bei der völlig willkürlichen Abwechslung und Abrundung von 300- und 600jährigen Abschnitten machen die Periodisirungsversuche, die Lorenz zum Beweise und Beispiel seiner Theorie anstellt, fast den Eindruck von Zahlenspielen.
Ganz haltlos ist aber die eigentliche Grundlage der Theorie, die gesetzmässige Periodicität der Menschenproduction; denn die Annahme 300-, bezw. 600jähriger Perioden der Bevölkerungsbewegung stützt sich auf so vereinzelte Beobachtungen, dass sie sich über das Niveau einer Hypothese nicht erhebt; ausserdem sind die Bevölkerungsstatistiker einstimmig der Ansicht, dass die Frequenz und Qualität der Heirathen und Geburten, d. h. also eben die Bevölkerungsbewegung, ebenso von socialen, politischen und anderen ideellen Factoren wie von physischen abhängig ist, mit anderen Worten, dass die Qualität der Generationen selber einer der Factoren ist, welche die Menschenproduction bedingen. Wenn es demnach auch richtig ist, dass die letztere wiederum die Qualität der Generationen bestimmt, so kann man sie doch nicht als die elementare Ursache der wechselnden Beschaffenheit der Generationen hinstellen, wie Lorenz es thut; vielmehr handelt es sich da um Wechselwirkungen.
Der durchschlagendste Einwand gegen die ganze Theorie ist indess noch übrig. Wenn das „Gesetz der drei Generationen“ das „objectiv begründete“ Periodisirungsprincip der Geschichte oder gar „ein der menschlichen Natur innewohnendes Princip“ sein soll, so müsste es doch unfehlbar auf alle Geschichte Anwendung finden können. Zu unserer grossen Ueberraschung bemerkt indess Lorenz am Ende seiner Auseinandersetzungen S. 310, dass dieses „Gesetz“ nur unter der Voraussetzung von Familieneinrichtungen gelte, wie sie die Monogamie mit sich bringt! eine Bemerkung, die allerdings schon Rümelin l. c. gemacht hat, die indess für Lorenz’ Generationenlehre selbstmörderisch ist. Denn dem zu Folge gehören entweder nur die monogamischen Völker in
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_073.jpg&oldid=- (Version vom 8.11.2022)