Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft | |
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man sich das Anfangs bei der Anwendung dieses Eintheilungsprincips auf die Geschichte im Allgemeinen auch nicht klar gemacht hat, so hat man doch damit instinctiv ein ausschlaggebendes Kriterium getroffen. Denn wer wollte leugnen, dass wie in Sprache und Literatur so auf den verschiedensten Lebensgebieten sich Alterthum, Mittelalter und Neuzeit in ihrem Gesammtcharakter epochemachend unterscheiden?
Abgesehen von der willkürlichen oder unzweckmässigen Ansetzung dieser oder jener bestimmten Jahreszahl als End- oder Anfangstermin können wir daher weder die Entstehung noch die Festhaltung unserer jetzigen Eintheilung für zufällig, unsachlich oder gar widersinnig erachten, wie Lorenz l. c. S. 228 ff. es thut, indem er die eben hervorgehobenen Momente übersieht und die Schwierigkeit einer bestimmten Begrenzung der einzelnen Epochen zum Dilemma zuspitzt. Wir können gern auf den Ansatz bestimmter Grenzen verzichten, ohne den Begriff des Mittelalters, auf den es dabei ja am meisten ankommt, in dem eben bezeichneten Sinne fallen zu lassen.
Dieser Begriff stellt keineswegs, wie Lorenz l. c. S. 257 sagt, „eine ganz inhaltsleere Kategorie“ dar, welche „keinen anderen Sinn hat, als in der langen Reihe von Jahrhunderten eine Pause eintreten zu lassen“, sondern beruht, wie vorhin gezeigt, auf dem durchaus sachlichen und sachgemässen Gesichtspunkt, dass die betreffende Entwicklungsphase unserer Cultur einen eigenartigen Gesammtcharakter an sich trägt, der sich von dem der vorhergehenden und nachfolgenden Entwicklung in den wesentlichsten Zuständen und Bethätigungen unterscheidet. Es mag schwierig sein, diesen Gesammtcharakter allseitig zutreffend zu definiren, es mag in einseitigen Definitionen desselben viel gefehlt werden – das ist aber kein Grund, das Vorhandensein desselben zu ignoriren, vielmehr wird die immer eindringendere Forschung uns den Charakter des Mittelalters immer besser begreifen lehren und jenen Mangel beseitigen. Andere Gesichtspunkte der Eintheilung als die allgemeine Differenz im Gesammtcharakter der Entwicklungsphasen darf man von einer sachgemässen chronologischen Eintheilung, die auf den Veränderungen der Zustände und Begebenheiten in der Zeit beruht, nicht verlangen; sobald man zu systematischen Eintheilungsprincipien greift, geräth man in das Gebiet von Abstractionen, welche den concreten Veränderungen
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_069.jpg&oldid=- (Version vom 8.11.2022)