aus der Stadt holte. Ich fühlte, wie Anne Lene ihren Schritt beeilte, da er in unsere Nähe kam. „Hast Du etwas für mich, Carsten?“ fragte sie und suchte dabei in ihrer Stimme vergebens eine innere Unruhe zu verbergen.
Der Bote blätterte in seiner Ledertasche zwischen den Briefen umher. „Für dieses Mal nicht, liebe Mamsell!“ sagte er endlich mit einer verlegenen Freundlichkeit, indem er die aufgehobene Klappe wieder über seine Tasche fallen ließ. Er mochte ihr diese Antwort schon oft gegeben haben. Anne Lene schwieg einen Augenblick. „Es ist gut, Carsten,“ sagte sie dann, „du kannst erst mit uns gehen und Abendbrot essen.“ – Sie schien das Ziel ihrer Wanderung erreicht zu haben; denn sie kehrte bei diesen Worten um, und wir gingen mit dem Boten nach dem Hofe zurück. Die Dämmerung war schon stark hereingebrochen. Von dem Ackerstück, an welchem wir vorüber kamen, vernahm man die kurzen Laute der Brachvögel, die unsichtbar in den Furchen lagen; mitunter flog ein Kiebitz schreiend vor uns auf und auf den Weiden stand das Vieh in dunklen unkenntlichen Massen beisammen. – Wir hatten auf dem Rückwege,
Theodor Storm: Auf dem Staatshof. Braunschweig: George Westermann, 1891, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Storm_Auf_dem_Staatshof_41.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)