oder unbewußte Huldigungen; denn Alles bezog sich am Ende doch nur auf den Gegensatz ihres zarten Wesens zu der derben und etwas schwerfälligen Art des Landes. Und in der That, wenn man sie betrachtete, wie der Sommerwind ihr die kleinen goldklaren Locken von den Schläfen hob, und wie ihre Füße so leicht über das Gras dahin schritten, so konnte man kaum glauben, daß sie hier zu Haus gehöre. Das kleine Kreuz, welches an dem schwarzen Bändchen an ihrem Halse funkelte, mochte bei den Arbeitern diesen Eindruck noch vermehren helfen.
Als wir auf die Werfte kamen, fanden wir die alte Wieb in Zank mit einer Bettlerin vor der Hausthür stehen, die sie vergeblich abzuweisen suchte. Die leidenschaftlichen Geberden dieses noch ziemlich jungen Weibes waren mir wohl bekannt; sie ging auch in der Stadt alle Sonnabend von Thür zu Thür, und zehrte dabei seit Jahren an dem Gedanken, daß sie von dem alten Rathmann van der Roden, dem in seiner Amtsführung die obervormundschaftlichen Angelegenheiten übertragen waren, um ihr mütterliches Erbteil betrogen sei. Sie war infolge derartiger Aeußerungen schon mehrfach zur Strafe
Theodor Storm: Auf dem Staatshof. Braunschweig: George Westermann, 1891, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Storm_Auf_dem_Staatshof_28.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)